Oh, wie süß! Im Berliner Zoo werden diese Woche zwei neue Panda-Babys der Öffentlichkeit präsentiert. Aber die Tiere sind mehr als nur Flausch: China nutzt sie auch dafür, knallharte Politik zu machen. Wie die Panda-Diplomatie abläuft.
Es ist eine kleine Sensation im Berliner Zoo: Im August dieses Jahres brachte Panda-Mama Meng Meng Zwillinge zur Welt. Der Zoo nennt den Nachwuchs wegen ihres unterschiedlichen Geburtsgewichts von 139 und 169 Gramm "Klein" und "Groß". Jetzt wurden die Zwillinge erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Florian Sicks, Biologe und Kurator für Säugetiere im Zoo Berlin, ist für die Panda-Bären verantwortlich. Tägliches Streicheln der Tiere zählt nicht zu seinem Job. Er koordiniert vor allem die aufwändige Pflege und Zucht der Tiere, die nur in Zusammenarbeit mit vielen Expertinnen, auch aus China, möglich ist. Seine Arbeit erfordert viel Organisation.
Pandas kommen stark unterentwickelt zur Welt
Die Panda-Jungtiere schlafen derzeit fast 23 Stunden täglich und trinken zweimal täglich Muttermilch, sagt Florian. Bei der Geburt seien Pandabären noch stark unterentwickelt, können weder hören noch sehen und ihre Körpertemperatur nicht konstant halten.
"Pandas kommen ausgesprochen unterentwickelt auf die Welt. Die sind nur schütter behaart. Die können nicht hören, nicht sehen und können noch nicht mal ihre Körpertemperatur konstant halten."
Mittlerweile hätten die acht Wochen alten Tiere das fünfzehnfache an Gewicht zugenommen, ihre Augen geöffnet und können hell und dunkel unterscheiden. Sie riechen und erkennen verschiedene Gerüche, auch ihre Körpertemperatur regulieren sie inzwischen selbst, sagt der Kurator.
Größere Überlebenschance – Pandas verstoßen Geschwister
Panda-Mütter ziehen in der Regel nur ein Junges groß und verstoßen Geschwister, um die Überlebenschancen des anderen zu erhöhen, erklärt Florian. In Berlin jedoch sollen beide Jungbären leben. Ein ausgeklügeltes System sorge dafür, dass Panda-Jungtiere optimal versorgt werden. Die Mutter kümmere sich immer nur um ein Junges, schenkt ihm Fürsorge, Sozialisation und die besonders nahrhafte Muttermilch. Das zweite Jungtier werde währenddessen von Pfleger*innen betreut. Regelmäßig werden die Jungtiere gewechselt.
"Die beiden Jungtiere, die jetzt hier geboren wurden, gehen im Alter von etwa zweieinhalb Jahren nach China und werden Teil des großen Zuchtprogramms."
Mit etwa zweieinhalb Jahren, wenn Panda-Jungtiere ihre Mutter in freier Natur verlassen würden, werden die Tiere nach China abgegeben. Dort, wo mit Hunderten Pandabären die größte Reservepopulation in menschlicher Obhut lebt, werde das größte Zuchtprogramm zur Rettung der stark bedrohten Tiere koordiniert, sagt Florian.
Große Pandas dienen auch politischen Zwecken
Der Hype um Pandabären, besonders in China, findet der ehemalige Deutschlandfunk-Chinakorrespondent Steffen Wurzel problematisch. Der Schutz der Pandas ist wichtig, doch es wäre sinnvoll, auch anderen oder stärker bedrohten Tierarten, die auf der Roten Liste in China stehen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken, meint er.
Dazu kommt, dass China Pandas in der Politik als sogenannte Softpower nutzt. Das ist eine weiche Form der Machtausübung, bei der Ziele nicht durch militärischen oder wirtschaftlichen Druck verfolgt werden, sondern zum Beispiel durch Sympathie.
"Vielleicht gucken die Leute ein bisschen milder auf uns als China, wenn wir mit knuddeligen Pandabären Werbung machen. Und man kann noch Geld mit verdienen.“
Die Panda-Diplomatie begann in den 1980er-Jahren, als China erkannte, dass die Tiere in mehrfacher Hinsicht nützlich sein können: Als Maskottchen können sie die Aufmerksamkeit für den Artenschutz steigern. Die Tiere sind aber auch förderlich für politische Beziehungen und werden als Symbol politischer Freundschaft verliehen. Und schließlich nützen die niedlichen Pandas, um das Ansehen von China zu steigern, trotz seiner harten Diktatur, so Steffen.
China kontrolliert das Geschäft mit den Pandas
Die Vergabe von Pandabären wird strikt von der chinesischen Führung kontrolliert – ohne Einfluss von NGOs oder privaten Zoos. Länder, die freundlich gesinnt sind oder mit denen China Beziehungen ausbauen möchte, erhalten das Angebot, Pandas in ihren Zoos zu halten. Dies wird auf höchster politischer Ebene verhandelt und groß angekündigt, sagt Steffen.
"Die chinesische Führung hat das alles unter Kontrolle und nicht der Tierschutz, eine NGO oder ein privater Zoo."
Die Großen Pandabären werden für etwa eine Million US-Dollar pro Tier und Jahr verliehen, was die Zoos vor hohe Kosten stellt. Dazu kommen spezielle Gehege, die gebaut werden müssen, und die aufwändige Ernährung. Die Tiere benötigen täglich etwa 18 Kilogramm ausgewählten Bambus. Trotz der hohen Aufwendungen lohnt sich die Panda-Diplomatie für die Zoos, da sie positive Stimmung und einen Knuddelfaktor erzeugt, der auch auf China zurückfällt.
Als ehemaliger Korrespondent kann Steffen, der lange in China lebte, Pandas nicht mehr ohne den Gedanken an die dortige Diktatur betrachten, in der Menschen unterdrückt werden und Menschenrechte oft missachtet werden. Chinas Führung nutzt die Pandas gezielt aus politischen und diplomatischen Gründen, um das eigene Image zu verbessern. Dieses Bewusstsein kann man haben, muss man aber nicht. "Aber ich kann alle verstehen, denen das genauso geht", sagt er.
"Ich kann Pandas nicht mehr betrachten, ohne daran zu denken, dass China eine knallharte Diktatur ist, in der Menschen zu großer Zahl unterdrückt werden."
Was der ehemalige Chinakorrespondent anerkennt: Die chinesische Führung hat durch erheblichen staatlichen und internationalen Geldfluss die Panda-Population in den letzten Jahrzehnten deutlich gesteigert, was eine positive Entwicklung für den Artenschutz darstellt. Problematisch ist jedoch, dass der Artenschutz für viele andere Tiere, beispielsweise Meerestiere oder Amphibien, in China ignoriert wird. Steffen kritisiert: Es wird zu sehr auf die Pandas gesetzt, die als Soft-Power-Instrument gelten.
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