Häufig laufen Organspenden anonym ab. In bestimmten Fällen können auch Familienangehörige spenden. Was passiert, wenn Freunde das tun?

In Deutschland stehen mehr als 8.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Das Organ, das am häufigsten von kranken Menschen gebraucht wird, ist die Niere. Wer gesund ist, kann auch zu Lebzeiten eine Niere oder ein Stück von der Leber spenden – das passiert in der Regel, wenn Menschen miteinander verwandt oder verheiratet sind.

Dass sich Freund*innen gegenseitig ein Organ spenden, ist eher ungewöhnlich – kommt aber vor. Tanja aus Lübeck hat Nicklas eine Niere gespendet, die ihm jetzt wieder viele Dinge ermöglicht. Nicklas hat viel mehr Energie, kann Sport machen und lange Strecken laufen. Vor der Transplantation war all das undenkbar.

"Man merkt das schon: Ich kann spät ins Bett gehen und trotzdem früh aufstehen, ohne kaputt zu sein."
Nicklas bekam eine Spenderniere

Nicklas hat das Jeune-Syndrom, einen Gendefekt. Dadurch funktionieren seine Nieren nicht richtig. Seit Jahren wartete er auf ein Spenderorgan. Die Tests im Krankenhaus zeigten, dass in seiner Familie niemand kompatibel war. Tanja, eine gute Freundin von Nicklas und seiner Mutter, tat es leid, dass er täglich an die Dialyse musste und ständig schlapp war. Also entschied sie, sich auch testen zu lassen – und kam als Spenderin in Frage. Rückblickend sagt sie, dass sie recht naiv an die Sache rangegangen ist.

"Es wird alles komplett aufgeschnitten, das habe ich unterschätzt."
Tanja hat eine Niere gespendet

Tanja bereut die Entscheidung aber nicht: "Wenn ich jetzt Nicklas sehe, was er an Lebensqualität dazugewonnen hat, und wie er sich verändert hat – klar, sollte man das auf jeden Fall machen." Mittlerweile hat sie sich von der OP wieder komplett erholt.

Ausführliche Aufklärung vor der OP

Jemandem eine Niere zu spenden, mit dem man nicht verwandt oder verheiratet ist, ist eher selten. Tanja erzählt, dass die Gespräche im Krankenhaus zur Vorbereitung der OP sehr ausführlich waren: "Da ist ein Psychologe, der mit uns beiden gesprochen hat, zusammen wie getrennt, um zu sehen, dass wir gute Freunde sind, dass ich das nicht für Geld mache. Damit wollten sie sich absichern."

Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden 2023 rund 608 Nieren-Lebendspenden durchgeführt. Rund 1.5000 nach dem Tod der organspendenden Person. Auf der Warteliste für eine neue Niere stehen nach Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung rund 6.700 Menschen.

Jeder sollte sich entscheiden, ob er Organe spenden möchte

Die Wartezeiten haben mit bis zu zehn Jahren ein Rekordhoch erreicht, sagt Transplantationsmediziner Felix Braun von der Lübecker Uniklinik. Und er findet es wichtig, dass man sich zu Lebzeiten Gedanken darüber macht, ob man ein Organ spenden möchte. Das sei auch für die Angehörigen wichtig.

"Die schlimmste Situation ist: Die Angehörigen stehen am Bett, wollen Abschied nehmen und sollen dazu eine Auskunft geben, was der mutmaßliche Wille ist und man hat sich nie darüber unterhalten."
Felix Braun, Transplantationsmediziner von der Lübecker Uniklinik

Es hat sich aber etwas getan. Der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge hatten 2022 doppelt so viele Deutsche einen Organspendeausweis wie noch 2012. Einfacher werden soll es mit dem neuen Organspenderegister, in dem Kliniken und Krankenhäuser schnell checken können, ob sich eine gestorbene Person dafür entschieden hat. Ab Juli 2024 soll dieses Register in allen Kliniken genutzt werden.

Organspende hat Freundschaft nicht beeinflusst

Eine Lebendorganspende zwischen Freunden wie Nicklas und Tanja bleibt eine Ausnahme. Einen krasseren Akt der Freundschaft kann man sich wohl kaum vorstellen. Trotzdem gehen die beiden nach wie vor nicht anders miteinander um als vorher, sagt Nicklas.

"Ich würde nicht sagen, dass es sich verändert hat – sowohl in die eine als in die andere Richtung. Es ist normal geblieben. Ich kann jetzt zu Fuß zu ihr gehen. Das konnte ich vorher nicht."
Nicklas, eine gute Freundin hat ihm eine Niere gespendet

Nicklas ist gelernter Bäcker, konnte aber nicht arbeiten, weil die Energie einfach fehlte. Jetzt will er noch ein bisschen das Leben genießen, in den Urlaub fahren und dann schauen, was geht.

Das Foto oben zeigt eine Person, die sich ein Organspende-Tattoo auf den Unterarm hat stechen lassen. Es ist ein unübersehbares Zeichen dafür, dass man sich entschieden hat, Organspender zu sein.

Shownotes
Organspende
Was eine Nierenspende mit einer Freundschaft macht
vom 07. Juni 2024
Moderatorin: 
Tina Howard
Autorin: 
Astrid Wulf, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin