Wegen einer Stoffwechselkrankheit bekommt Rebecca Jung schon mit 13 Jahren eine Spenderleber. Mit 16 stirbt sie fast, während sie auf ein neues Organ wartet. Rebecca überlebt – und macht Organspende zu ihrem Lebensthema.
Seit ihrer Geburt musste Rebecca Jung penibel darauf achten, was sie isst – ihr Körper konnte wegen eines Gendefekts nicht richtig Energie speichern, sodass sich ihre Leber ständig zu verformen und verfetten droht. "Ich durfte super viele Sachen nicht essen. Gar keinen Zucker, kein Obst und musste dafür jede Stunde Kohlenhydrate essen, genau abgewogen und abgemessen", erinnert sich die 23-Jährige heute.
Nicht alle Menschen, die ein Spenderorgan brauchen, kommen auf die Transplantations-Warteliste
Irgendwann fragte Rebeccas Mutter sie, ob sie nicht eine Organspende in Betracht ziehen würde. Das heißt nicht, dass Rebecca damals wie andere Menschen, die Spenderorgane bekommen, in Lebensgefahr war. "Es gibt Menschen, die mit dieser Erkrankung sehr gut leben können", merkt die Leipzigerin an. Es hätte ihr Leben aber viel einfacher gemacht.
Alle Risiken und Konsequenzen, die eine Organspende mit sich bringen kann, waren es Rebecca wert. Die Einschränkungen durch die Stoffwechselkrankheit waren einfach zu groß. Jahrelang auf einer Warteliste auf ein passendes Organ warten, musste sie auch nicht: Rebeccas Vater machte eine Lebendorganspende - er spendete ein Stück seiner Leber.
"Die Leber hat sofort meinen Körper entgiftet und nach zwei Tagen ging es mir gut."
Die Transplantation lief sehr erfolgreich ab: Schon nach zwei Tagen ging es Rebecca viel besser, ihr Körper wehrte sich nicht gegen das neue Organ. "Ich durfte alles essen, ich konnte mich frei entwickeln, mich von meinen Eltern abnabeln, was vorher gar nicht möglich war", beschreibt Rebecca. "Endlich mal ein freies, gesundes Leben führen!"
Doch drei Jahre später ging es Rebecca wieder sehr schlecht. "Ich hatte immer wieder Abstoßungsreaktionen und irgendwann hatte der Körper aufgehört, richtig zu funktionieren." Ihre Ärzte setzten sie auf die Spender-Warteliste, doch Rebecca ging es nicht schlecht genug, um als Notfall gelistet zu werden.
"Mit 16 vor dem Punkt zu stehen: Okay, werde ich noch 17? Das ist richtig hart."
Ein Jahr lang wartete sie Tag und Nacht auf den Anruf vom Krankenhaus, dass ein passendes Organ da sei. Schließlich konnte Rebecca nicht mehr selbst die Wohnung verlassen oder zur Schule gehen.
Dann bot Rebeccas Onkel an, ein Stück seiner Leber zu spenden. "Das war ein unbeschreibliches Gefühl – ich bin bis heute unendlich dankbar", beschreibt Rebecca. "Die andere Option wäre gewesen, zu sterben."
Das war für Rebecca nicht nur eine Vorstellung, sondern eine reale Angst: Eine Freundin, die die Leberspende ihres Vaters abgelehnt hatte, war gestorben. Das kam für Rebecca selbst nicht infrage.
"Ich wollte auf jeden Fall leben."
Seitdem geht es Rebecca aber sehr gut: "Mir geht’s so gut, wie es mir vorher nie ging", sagt die 23-Jährige. Vor Kurzem hat die Leipzigerin ihren Bachelor in Sozialer Arbeit abgeschlossen und fängt jetzt an, in der Kinderhilfe für Organtransplantation zu arbeiten. Aus ihrem ehrenamtlichen Engagement, das sie nach ihrer zweiten Transplantation und dem Abi begonnen hatte, ist ein Job geworden.
Trotzdem wird sie jeden Tag daran erinnert, dass sie sich besonders um ihre Leber kümmern muss. Durch die vielen Medikamente, die sie nehmen muss, hat Rebecca etwa ein geschwächtes Immunsystem und ist weniger belastbar. "Da merke ich schon: Ich bin eingeschränkt und ich bin auch krank", so die 23-Jährige. "Aber wenn ich es mit dem vergleiche, wie es mir vorher ging, bin ich so gesund, wie es irgendwie geht."
Rebeccas Zukunft mit ihrem Spenderorgan
Eine Spenderleber hält durchschnittlich 20 Jahre, sagt Rebecca. Es gäbe aber auch Menschen, die 40 Jahre lang mit dem Spenderorgan leben und deren ursprüngliche Leber sich dadurch regeneriert. Zwar hat man bei einer Spenderleber eine höhere Lebenserwartung als bei einem Spenderherz – trotzdem kann Rebecca das Risiko nicht komplett ignorieren: "Man hat diese Zahl im Hinterkopf, was Lebensplanung angeht."
Weil sie den Prozess um eine Organtransplantation persönlich kennt, wünscht sich Rebecca mehr öffentliche Aufklärung, was Organspenden angeht. "Ich denke, dass die Zahlen dafür sprechen, dass jeder einmal diese Entscheidung treffen sollte", meint Rebecca. Die Entscheidung und die Auseinandersetzung, ob man dafür oder dagegen sei, sei ihr am Wichtigsten. Auch wenn diese wegen des heiklen Themas Tod schwierig sein kann.
"Organspende ist ein sehr sensibles Thema: Es ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod."
Deshalb befürwortet sie die Widerspruchslösung, die im Bundestag diskutiert wird – schließlich werden schon jetzt viel mehr Organe gebraucht, als vorhanden sind. Weil das aber bedeutet, dass dann alle Organspender sind, wenn sie dem nicht ausdrücklich widersprechen, hat Rebecca Angst, dass viele sich aus Trotz dann gegen die Organspende entscheiden.
Viel wichtiger ist für Rebecca, dass mehr Aufklärungsarbeit über Transplantation und Organspende stattfindet, besonders was Kinder und Jugendliche angeht. Denn wenn Menschen mehr mit Transplantierten in Kontakt kommen, glaubt Rebecca, dass die Entscheidung für eine Organspende bei den meisten von ganz allein kommt.
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