Wie bekommt man den Hass im Netz in den Griff? In Deutschland versuchen wir es mit dem Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz. In Frankreich will man auch ein Gesetz, das aber noch viel weiter gehen soll. Und auch in Frankreich wird diskutiert, was ein Gesetz gegen Hass im Netz bewirken kann und ob es nicht Zensur bedeutet. Unsere Reporterin Martina Schulte erklärt, worüber die Franzosen debattieren und was eigentlich das Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz in Deutschland gebracht hat.
2018 wurde das Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz – kurz NetzDG – in Deutschland verabschiedet. Es wurde auch als Facebook-Gesetz diskutiert. Seitdem müssen Unternehmen strafbare Inhalte binnen 24 Stunden löschen. In Frankreich gibt es einen Gesetzesvorschlag, der vom NetzDG inspiriert ist, aber noch weiter geht, so unsere Reporterin Martina Schulte.
Ab heute (3. Juli) debattiert das französische Parlament über das Gesetz. Damit müssten Online-Plattformen Hass-Nachrichten binnen 24 Stunden entfernen, wie in Deutschland auch. Aber was entfernt wird, da gibt es große Unterschiede. Laut New York Times geht es bei dem Vorschlag in Frankreich nicht allein um strafbare Inhalte, die gelöscht werden sollen. Es soll um Postings gehen, die:
- jemanden aufgrund seiner Rasse, Religion, sexuellen Orientierung, Nationalität, Behinderung oder seines Geschlechts attackieren;
- terroristische Propaganda oder Kriegsverbrechen darstellen;
- andere User und Userinnen online belästigen.
"Wenn das Gesetz in Frankreich durchkommt, wäre das Spektrum der Inhalte, die entfernt werden müssen, sehr breit."
Falls Plattformen solche Inhalte nicht binnen 24 Stunden entfernen, drohen Strafen von bis zu 1,25 Millionen Euro. Ebenso Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr für die verantwortlichen Manager der Unternehmen. Bei wiederholten Verstößen kann das Unternehmen sogar zu einer Strafe von bis zu vier Prozent seines globalen Einkommens verdonnert werden. Bei Facebook wäre das eine ordentliche Summe, so Martina Schulte.
Ein "Facebook-Gesetz" auch für Frankreich
Anders als beim NetzDG sollen in Frankreich auch Nutzerinnen und Nutzer bestraft werden, die das neue Gesetz missbrauchen. Wenn also User fälschlicherweise und bewusst Hasskriminalität melden, um andere User im Netz sperren zu lassen. Kommt das Gesetz durch, können Strafen von bis zu 15.000 Euro drohen.
Der Gesetzesvorschlag wird von der ehemaligen Wirtschaftsanwältin und Parlamentarierin Laetitia Avia ins Parlament eingebracht. Sie gehört der Partei des Präsidenten Emmanuel Macron an. Laetitia Avia wurde in Frankreich geboren; ihre Eltern stammen aus Togo. Die Politikerin wurde selbst bereits oft zur Zielscheibe rassistischer Ausfälle im Netz. Der Hass ging bis hin zu Morddrohungen.
So wie das NetzDG in Deutschland kontrovers diskutiert wurde und wird, passiert das auch in Frankreich mit der Gesetzesvorlage. Die Befürworter erhoffen sich, dass es mit dem Gesetz im Netz ziviler zugeht. Andere kritisieren, dass nicht die Online-Plattformen Inhalte löschen sollen. Im Zweifelsfall könnten die Unternehmen eher mehr als weniger löschen, um möglichen Strafen zu entgehen. Es drohe Zensur durch die Privatwirtschaft.
Was hat das NetzDG gebracht?
Diese Kritik gab und gibt es auch in Deutschland. Was das NetzDG gebracht hat, wissen wir nicht genau, so Martina Schulte. Im Justizministerium wurden 2018 lediglich 8.617 Meldungen gemacht. "Die Hälfte davon war berechtigt", sagt Martina Schulte.
Wichtiger ist jedoch, wie viele Postings und welche die sozialen Netzwerke selbst gelöscht haben. Das NetzDG verpflichtet die Online-Plattformen dazu, diese Zahlen zu veröffentlichen. Genau das habe Facebook, so das Bundesjustizministeriums, nur unzureichend getan. Das Unternehmen habe lediglich einen Teil der vorgenommenen Löschungen und User-Sperren offen gelegt. Nämlich die, die über das NetzDG-Formular auf Facebook an das Unternehmen gingen. Deshalb hat das Justizministerium ein Bußgeld von zwei Millionen Euro gegen Facebook verhängt.
"Wir wissen derzeit gar nicht so genau, welche Auswirkungen Gesetze wie das NetzDG auf die freie Meinungsäußerung im Netz haben."
Das Justizministerium will wissen, wie viele Postings gelöscht wurden, die direkt bei Facebook als Verstoß gemeldet wurden. Hier geht es um das sogenannte Flagging, wenn Nutzer direkt auf Facebook ein Post melden. Aber dazu fehlen die Zahlen. Ohne diese Zahlen, ist jedoch unklar, welche Auswirkungen Gesetze wie das NetzDG tatsächlich auf die Meinungsäußerung im Netz haben.