Dieses Problem häuft sich: Du bemerkst, dass einer deiner Freunde eine skandalöse Fake-News teilt. Im ersten Reflex willst du eine Standpauke halten, ihn oder sie kommentarlos entfreunden. Aber bringt das etwas?
Als DRadio-Wissen-Reporter Daniel Stender den Link aus der WhatsApp-Nachricht einer Freundin öffnet, kann er es nicht glauben: Sie warnt vor gefährlichen Postsendungen. Demnach würden sich in den Umschlägen getarnt mit dem Foto eines schwarzen Kindes, so der dramatische Aufruf, vergiftete Koran-CDs befinden. Ein Fake, bestätigt auch die Polizei direkt.
Geteilt hat die Fake-News eine Freundin von Daniel: "Warum teilt sie so einen Mist?", das ist sein erster Gedanke. Er will sie vom Gegenteil überzeugen - am Ende ist ihr das Ganze peinlich. Vielleicht, so Daniel, ist sie aber auch eingeschüchtert von seiner vehementen Überzeugungsarbeit. Wie trifft man den richtigen Ton bei jenen, die leichtfertig diese News teilen?
Bloß nicht "Du bist ja so dumm"
Giulia Silberberger betreut die Website "Der Goldene Aluhut" und hat täglich mit solchen Fake-News zu tun, die nur auf den ersten Blick witzig erscheinen. Sie und ein Team aus ehrenamtlichen Unterstützern haben ein Ziel: Verschwörungstheorien und Fake-News widerlegen. Ihre Empfehlung lautet, in der Konfrontation mehr Einfühlungsvermögen zu zeigen und dem Gegenüber die Ängste zu nehmen.
"Keine Vorwürfe machen und sagen: 'Du bist ja dumm und wieso teilst du so eine Scheiße?' Klar, denkt man sich das. Für das Gespräch ist das aber nicht zielführend. Besser versuchen, da anzusetzen, warum die Person daran glaubt."
So weit weg, wie wir glauben, ist die Welt der Verschwörungstheoretiker nämlich nicht. Der viel besagte Aluhut, mit dem Hardcore-Verschwörungtheoretiker verhindern wollen, dass die Regierung ihre Gedanken liest (Kein Witz!), ist das Extrem. Diese Leute leben schon in einer quasi hermetisch abgeriegelten Welt, in der Argumente schlicht verpuffen.
Wesentlich gefährlicher sind aber Fake-News, die zwar strange anmuten - aber die grundsätzlich für möglich gehalten werden könnten. Da sie beispielsweise echte Bilder verwenden, sie verändern oder an echte Nachrichten und an diffuse Ängste anknüpfen.
"Wir haben ja alle unsere Ängste und wenn jemand eine News liest, die genau das bei ihm triggert, dann teilt er das weiter und schließt sich Communitys an, die sich damit beschäftigen. Und dann ist er drin in der Verschwörungswelt und das ist dann nicht mehr lustig."
Zu entschlüsseln, was fake ist und wozu es Belege gibt, erfordert Medienkompetenz. Ansonsten finden sich einige schnell in der berüchtigten Filterblase wieder: Sie folgen den Leuten, die ihre Meinung ohnehin bestätigen, die gleichen Ängste teilen. Und wer oft genug "die BRD gibt es nicht“ googelt, kriegt vor allem das Netz aus der Perspektive der Reichsbürger gezeigt.
Einen Punkt, an dem DRadio-Wissen-Reporter Daniel den Fake-News-Wahnsinn ein Stück weit verstehen kann, ist der: "Wir leben in einer Welt, in der die echten Nachrichten wirklich verrückt sind: 9/11, die Troll-Armee des Kreml, die Mondlandung, Donald Trump." Während wir noch nach der richtigen Strategie suchen, damit umzugehen, hilft aber in jedem Fall eines: Ein- und Ausatmen statt in Schnappatmung zu verfallen. Und statt direkt auf "Teilen" zu klicken, sind Anleitungen, wie sich solche News checken lassen, wahrscheinlich nützlicher.