Der olympische Gedanke wird ad absurdum geführt: Statt eines fairen Wettkampfs unter Athleten, werden die Wettkämpfe zu einem Nationenranking.
Vor allem die Politiker schielen nach dem Medaillenspiegel, sagt der Sportsoziologe Eike Emerich. Vor den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro hatte Innenminister Thomas de Maizière gesagt, dass Deutschland deutlich mehr Medaillen gewinnen müsste als vier Jahre zuvor in London.
Die Politiker wollen, dass ihre Nation in der Welt als besonders leistungsstarke und erfolgreiche wahrgenommen wird, vermutet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs.
"Wann hat ein Innenminister denn mal die Möglichkeit, sich in einem positiv besetzten Klima der Weltöffentlichkeit zu zeigen? Nach dem Motto: 'Wir haben es geschafft'. Damit tut er so, als hätte er die Wünsche der Nation erfüllt."
Eike Emrich kritisiert aber nicht nur die Politik, er sagt, dass auch die Medien den Medaillenhype befeuern. Indem sie beispielsweise Erfolgsstorys rauf und runter erzählen.
"Wer viel gewinnt, bekommt mehr Förderung."
Das Sportwissenschaftliche Institut der Universität des Saarlandes, das Eike Emrich leitet, hat rausgefunden, dass sich etwa die Hälfte der Bevölkerung für den Medaillenspiegel interessiert. Wenn es allerdings um die Geldfrage geht, also darum, ob die Deutschen damit einverstanden sind, dass ein größerer Teil ihrer Steuern für die Sportförderung ausgegeben wird, ist die Begeisterung nicht mehr ganz so groß.
Die Politik ist fixiert auf den Medaillenspiegel
Denn das führen sich nur die wenigsten vor Augen: Die Investitionen des Bundes in die Sportförderung betragen jährlich etwa 160 Millionen Euro. Tendenz steigend. Trotz dieser hohen Summe stamme das Gros der Sportförderung aber gar nicht aus staatlichen Töpfen, sondern komme von den Sportvereinen. Damit finanziert letztlich der Breitensport den Spitzensport mit.
"Das ist dann das, was wir Breitensport nennen, aber daraus speist sich eben auch der Spitzensport."
Obwohl der Staat in Deutschland also letztlich gar nicht so viel zur Förderung des Spitzensports beiträgt, dient der Medaillenspiegel für die Politik oft als Messlatte für den eigenen Erfolg. Eike Emerich findet das absurd, denn auf diese Weise werden die Olympischen Spiele zu einem Wettbewerb der Nationen, obwohl das gar nicht der olympische Gedanke ist.
"In der IOC-Charta steht übrigens: Olympische Spiele sind ein Wettbewerb von Athleten. Nicht von Nationen."