Rechter Terror vor Gericht: Das große Verfahren gegen den NSU steht vor dem Abschluss. Wir haben mit einem Reporter gesprochen, der den Prozess begleitet hat.
Für Mittwoch, den 11. Juli, wird das Urteil im Münchner NSU-Prozess erwartet. Er begann am 6. Mai 2013. Holger Schmidt hat das Verfahren über die Jahre hinweg beobachtet. Wir haben mit ihm über seinen persönlichen Blick auf das Verfahren gesprochen und um eine Einordnung gebeten.
Besonders eindringlich ist ihm die Befragung der Eltern des Ermordeten Halit Yozgat in Erinnerung geblieben. Ihr Sohn wurde am 6. April 2006 in Kassel erschossen, als letztes Opfer der Mordserie. Der Vater des Opfers legte sich im Gericht auf den Boden, um dem Richter zu zeigen, in welcher Lage er seinen toten Sohn aufgefunden hat. Holger Schmidt berichtet, wie die Mutter des Opfers Beate Zschäpe eindringlich um Aufklärung bat. Die Angeklagte habe die Eltern nur unverwandt angeschaut, erinnert sich Holger Schmidt.
"Es war interessant, Beate Zschäpe zu sehen. Man hatte den Eindruck, da tut sich überhaupt nichts. Da ist kein Zeichen, dass sie irgendwie helfen will, diesen Menschen zu erklären, warum ihr Sohn sterben musste."
Zur Tatzeit war Andreas Temme, Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, in dem Café. Er sagte aus, den Tatort verlassen zu haben, ohne Schüsse gehört oder das Anschlagsopfer bemerkt zu haben. Eine Aussage, die allgemein bezweifelt wird und auch in dem Dokumentarfilm "Der NSU-Komplex" (Video) ausführlich thematisiert wird. Aufgeklärt ist der Anschlag in einem Internetcafé bis heute nicht.
Unzufriedene Nebenkläger
Die Nebenkläger – also die Angehörigen der Opfer – seien nicht glücklich mit der juristischen Aufklärung der Anschläge, meint Holger Schmidt. Er nennt als Beispiel den Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße. Die Angehörigen hätten die Vermutung in den Prozess getragen, dass bisher unbekannte Komplizen vor Ort geholfen haben könnten.
"Eine zentrale Frage ist keinem Angehörigen beantwortet worden: 'Warum ist meine Liebe eigentlich gestorben oder verletzt worden?"
Holger Schmitt erinnert daran, wie sich die Ereignisse nach dem gescheiterten Banküberfall von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 überschlagen haben. Die Leichen der beiden Terroristen waren in einem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach gefunden worden – ebenso wie die Waffe der 2007 ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Innerhalb von Tagen wurde klar, dass es sich um eine große Verbrechens- und Anschlagsserie in Deutschland handelte.
Der Prozess ist von der Initiative NSU Watch dokumentiert worden. Die Texte – geordnet nach Datum – findet ihr auf der Homepage des Vereins.
Wir haben in einem zweiten Gespräch mit Holger Schmidt über sein persönliches vorläufiges Fazit des Prozesses gesprochen und darüber, wie er die Aussagen der Hauptverdächtigen Beate Zschäpe einordnet:
Mehr zum NSU und dem Prozess bei Deutschlandfunk Nova:
- NSU-Prozess | Die rechten Anwälte
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- Der NSU-Komplex | Stefan Aust über seine neue Doku
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