Beim Brand der Kirche Notre-Dame gab es eigentlich zwei Wunder. Das eine: Die Feuerwehr kam zum Brand. Das andere: Das Wahrzeichen steht noch. Die New York Times hat den Ablauf rekonstruiert.
Am 15.04.2019 brannte der Dachstuhl der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Das Feuer zerstörte den hölzernen Dachstuhl, die gemauerten Gebäudeteile blieben weitgehend intakt, auch die Ausstattung der Kirche, also Kunstwerke und die Möblierung im Innenraum des Gebäudes, wurden nur teilweise beschädigt. Während des Großbrandes hatten sich Beobachter immer wieder die Frage gestellt, ob sich die Kirche überhaupt retten lasse, ob sie nicht völlig zerstört werden würde. Die Untersuchung der Brandursache ist noch nicht abgeschlossen.
Nun hat die New York Times den Feuerwehreinsatz am Abend des Brandes rekonstruiert. Sie hat viele Verantwortliche interviewt und hunderte Dokumente über die Vorgänge in der Brandnacht ausgewertet. Die Rekonstruktion zeigt, dass die Einsatzkräfte einerseits mit technischen Problemen zu kämpfen hatten, sie andererseits wegen menschlichem Versagen mit massiver Verzögerung überhaupt erst zum Einsatz gerufen wurden.
Kompliziertes Brandmeldesystem
Zum Zeitpunkt des Brandes war die Kathedrale der NYT-Recherche zufolge mit einer übermäßig komplexen Brandmeldeanlage ausgestattet. Sie wurde über sechs Jahre hinweg von Dutzenden Experten geplant und installiert. Ihre Meldungen waren ohne Vorkenntnisse nicht unmittelbar dechiffrierbar.
"Die Brandmeldeanlage hat eine längere Zahlen-Buchstaben-Kombination ausgespuckt, die man erst mal genau analysieren muss, um den Brandort rauszukriegen."
Mitarbeiter einer Securityfirma überwachten die Kirche von einem benachbarten Gebäude aus. Der zuständige Sicherheitsmann soll am Tag des Brandes in seiner zweiten Schicht an diesem Tag gearbeitet haben. Diese Doppelschicht soll deswegen nötig gewesen sein, weil niemand zu seiner Ablösung kam. Als das Feuer ausbrach, war der Mann dem Artikel zufolge bereits seit elf Stunden im Dienst. Außerdem soll dies erst sein dritter Arbeitstag gewesen sein.
Verunsicherung beim Security-Mitarbeiter
Der Security-Mitarbeiter interpretierte die Meldung des Systems falsch und schickte einen Kollegen fälschlicherweise zum Nachsehen in die Sakristei statt ins Hauptschiff der Kirche. Dort konnte sich der Brand unbemerkt ausbreiten. Aus Denkmalschutzgründen ist dort keine Sprinkleranlage installiert gewesen. Der Security-Mitarbeiter war so verunsichert, dass er zunächst versuchte, seinen Chef zu erreichen, weil der Wachmann im Inneren nichts gefunden hatte.
"Eine halbe Stunde ist allein vergangen, bis der Brand entdeckt wurde. Wertvolle Zeit, die den Feuerwehrleuten verloren gegangen ist."
Der Security-Chef interpretierte die Meldung dann richtig, der Wachmann wurde erneut losgeschickt und entdeckte den Brand dann auch. Dann erst, eine halbe Stunde nach dem ursprünglichen Alarm, wurde die Feuerwehr alarmiert.
Während des Brandes war die größte Sorge der Feuerwehrleute, dass der Nordturm der Kirche einstürzen könnte. Das hätte eine Kettenreaktion zur Folge gehabt. In dem Turm hängen riesige Glocken an einem Holz-Gebälk. Durch ihren Sturz hätten die schweren Glocken Teile des Mauerwerks zerstört. Vermutlich wäre dann kurz nach dem Nordturm auch der Südturm eingestürzt.
Erst nach heftigen Diskussionen ließ die Feuerwehr Löschwasser vom Südturm auf den Nordturm spritzen. Ein erstes Feuerwehrteam wollte nicht hoch, weil es keine Fluchtmöglichkeiten gab. Ein zweites Team konnte dann in den brennenden Nordturm vordringen. Ein riskanter aber wohl der entscheidende Einsatz, um die Notre-Dame zu retten.
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