Auf dem Land wurden viele Kreißsäle geschlossen und die Transportwege bei Geburten dadurch länger. Damit Notärzte Routine bekommen, um ein Kind notfalls im Krankenwagen zur Welt zu bringen, üben sie an einer Simulationspuppe.
Sylvie Rösch ist angehende Anästhesistin in der nordfriesischen Stadt Niebüll. Im Rahmen ihrer Facharztausbildung wird sie auch als Notärztin arbeiten. Das bedeutet, dass sie auch zu einer Geburt gerufen werden kann. Um den Ernstfall zu üben, nimmt sie mit elf anderen an einem Kurs teil. Dort üben die Teilnehmer mithilfe einer Simulationspuppe eine Notfallgeburt außerhalb des Kreißsaals.
In den letzten Jahren wurden Kreißsäle geschlossen
In Deutschland gibt es einen Trend zur Zentralisierung, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporter Johannes Kulms. So auch in Nordfriesland. Dort findet der Kurs statt, an dem Sylvie Rösch teilnimmt. In den vergangenen zehn Jahren wurden in Deutschland knapp 20 Prozent der Kreißsäle geschlossen, während die Zahl der Geburten gestiegen ist, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Auch auf den Nordseeinseln.
Die Transportwege zu Krankenhäusern, die mit Kreißsälen ausgestattet sind, werden dadurch länger. Bei dem Kurs sind nicht nur angehende Notärzte dabei, auch Notfallassistenten und Rettungssanitäter üben die Handgriffe, die sie für den Einsatz bei einer Geburt benötigen.
"Aber Geburten kommen im Rettungsdienst nun nicht so dauernd vor. Etwas, was man nicht häufig macht, verlernt man auch schon zwischendurch."
2018 hat das Universitätsklinikums Schleswig-Holstein zwei solcher Kurse organisiert, sagt Kursleiter Andreas Bertomeu. In diesem Jahr sei die Nachfrage für den eintägigen Kurs um ein zehnfaches angestiegen. Da Geburten im Rettungsdienst nicht so oft vorkommen, sei es normal, dass Notärztinnen und Sanitäter bestimmte Abläufe verlernen, sagt Andreas Bertomeu. Die Notärzte, Sanitäter und Rettungsassistenten üben aber nicht nur die Geburt. Sie lernen zum Beispiel auch anhand von kleineren Babypuppen, wie man ein Neugeborenes fachmännisch mit einer Sauerstoffmaske beatmet.
Kurse können Kreißsäle nicht ersetzen
Auch wenn die Kurse helfen können, medizinisches Personal auf Geburten vorzubereiten, können sie Kreißsäle nicht ersetzen. Denn die bieten die Möglichkeit Not-OPs durchzuführen, wenn es bei einer Geburt mal Komplikationen gibt. Auch Kursleiter Andreas Bertomeu findet es beruhigender zu wissen, dass eine Gebärende im Kreißsaal schnell versorgt werden kann, wenn während der Geburt Schwierigkeiten auftreten.
"Wenn ich weiß, dass ich einen funktionierenden Kreißsaal mit einem funktionierenden OP in der Nähe habe, dann weiß ich auch und ich eben auch, dass bei einer komplizierten Geburt diese Frau dann relativ schnell gut versorgt ist."
Der Rettungssanitäter Gerd Mommsen nimmt auch an dem Kurs teil. Er lebt auf der Nordseeinsel Pellworm, auf der es noch nie einen Kreißsaal gegeben hat. Ist bei einer Geburt auf der Insel ärztliche Hilfe nötig, gibt es für die Pellwormer drei Optionen: Die Schwangere kann mit einem Seenotrettungskreuzer aufs Festland transportiert werden – auch auf hoher See hat es schon Geburten gegeben, ein Hubschrauber kann gerufen werden oder der Rettungssanitäter Gerd Mommsen wird zur Hilfe geholt.
"Und wenn die Geburt da ist: Das Gratulieren nicht vergessen!“
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