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Toby ist stark nostalgisch geprägt, weil er eine sehr glückliche und geborgene Kindheit hatte. Er schwelgt gerne in Erinnerungen. Neurowissenschaftler Tobias Esch erklärt, was Nostalgie mit uns macht und ob sie uns auch schaden kann.

Toby ist 29 Jahre alt. Er arbeitet hauptberuflich im Justizvollzug und nebenbei als Content Creator. Toby erinnert sich sehr gerne an seine Kindheit zurück, die für ihn frei von Sorgen war. Schon während seiner Abi-Zeit dachte Toby oft zurück an die Realschule. Seit etwa vier Jahren ist diese Nostalgie für ihn besonders präsent.

Dankbar für unbeschwerte Kindheit

Toby verspürt bis heute eine große Dankbarkeit gegenüber seinen Eltern, die ihm in seiner Kindheit alles ermöglicht haben: "Das muss jetzt nicht heißen, wenn ich irgendwas Teures wollte, habe ich es bekommen. Sondern: Ich hatte Freiheiten. Ich durfte machen, was ich wollte. Wir hatten immer gegenseitig das Vertrauen, dass wir alle vernünftig sind. Meine Eltern haben uns alles gegeben, was wir brauchten."

In eine besonders nostalgische Stimmung bringt Toby die letzte Stunde des Tages, bevor die Sonne untergeht. Er nennt es die "Golden Hour". Wenn alles in einem gelb-goldenen Licht erscheint, denkt Toby häufig an die alten Zeiten zurück – zu Hause im Kinderzimmer.

"Die Nostalgie kickt bei mir jeden Tag. Dann habe ich mein Kinderzimmer vor Augen, den Gameboy in der Hand und sehe die Pokémon-Bettwäsche von früher."
Toby, Hauptberuf: Justizvollzug, nebenbei Content Creator, schwelgt gerne nostalgisch in Kindheitserinnerungen

Das Thema Pokémon ist bei Toby bis heute aktuell. Er hat wieder damit angefangen, die Karten von früher zu sammeln. Auch, um das Gefühl von früher wieder aufleben zu lassen. Er sagt, dass für ihn jede Karte etwas ganz Besonderes in ihm auslöst.

Nostalgie aktiviert Belohnungszentrum im Gehirn

Die Neurowissenschaftlerin Franca Parianen hat eine Erklärung dafür. Sie sagt, dass in unserem Gehirn einiges los ist, wenn wir nostalgisch werden: "Wir denken über uns selbst nach, unsere Vergangenheit und was uns da besonders gefallen hat. Das eine ist das Verarbeiten von Erinnerungen. Dann gehören aber auch Belohnungsgefühle dazu."

Sie vergleicht das mit einem ähnlichen Gefühl, das wir haben, wenn wir beispielsweise Schokolade essen oder andere belohnende Dinge erleben. Franca Parianen sieht Nostalgie aber nicht nur als warmes Gefühl. Nostalgie kann auch Schmerzen lindern, sagt sie.

"Wenn wir sowas Belohnendes erleben, dann ist es oft so, dass uns danach Schmerzen weniger wehtun."
Franca Parianen, Neurowissenschaftlerin, Science-Slammerin und Buchautorin

In nostalgischen Momenten werden Opioide ausgeschüttet, erklärt die Neurowissenschaftlerin, "und die können tatsächlich dafür sorgen, dass unsere Schmerzschwelle steigt, also kleine Verletzungen nicht mehr so wehtun."

Gerüche und besondere Erinnerungen

Viele verbinden auch spezielle Gerüche mit Dingen, die sie mal erlebt haben. Bei Toby ist das auch so. Er verbindet zum Beispiel den Geruch von Benzin an der Tankstelle mit Familientrips, die er früher gemacht hat. Und wenn er nassen Beton riecht, dann verknüpft er Millionen Bilder mit diesem Geruch.

"Gerüche sitzen bei mir ganz ganz tief im Nostalgiezentrum."
Toby, schwelgt gerne nostalgisch in Kindheitserinnerungen

Toby sagt, dass er seinem Gehirn sehr dankbar dafür ist, dass es diese Verknüpfung zwischen Gerüchen und Erinnerungen herstellt. Toby verbindet aber auch "Harry Potter" sehr stark mit seiner Kindheit, denn er hat die Bücher schon in der Grundschule gelesen.

Gameboy sorgt für Reise in die Vergangenheit

Eine Nostalgie-Erfahrung, die Toby nicht mit seiner Frau teilen kann. Er ist aber sehr froh, dass sie viele andere Gemeinsamkeiten haben. Und auch eine, die beide in die Zeit von früher zurückversetzt: den Gameboy.

Tobys Frau hat vor einer Weile ihren alten Gameboy aus Kindheitstagen wiedergefunden und beide haben einen ganzen Abend lang damit gespielt – so wie Toby es früher getan hat. "Das ist eine Erinnerung, die macht einen ganz tief glücklich. Und das verbindet auch", findet er.

Nicht alle Menschen haben nostalgische Erinnerungen

Nostalgische Gefühle empfindet aber nicht jeder oder jede. Tobias Esch ist Neurowissenschaftler mit psychologischer Expertise und sagt, dass bei Nostalgie verschiedene Dinge zusammenkommen: "Ich brauche positive Erfahrungen. Ich brauche solche inneren Gerüche und dieses Gefühl von Nach-Hause-Kommen, von Aufgehoben-Sein."

Aber nicht alle Menschen haben in ihrem Leben solche Erfahrungen gemacht. "Denken wir an Menschen, die geflüchtet sind, die aus schwierigen privaten, sozialen oder politischen Verhältnissen kommen", erinnert Tobias Esch.

Wann Nostalgie schmerzhaft wird

Zum nostalgischen Erleben gehören dem Neurowissenschaftler zufolge auch neuronale Prozesse im Gehirn, die bei Menschen unterschiedlich ablaufen können. Bei einigen lösen nostalgische Erinnerungen nicht nur Positives aus. Es können auch schmerzhafte Gefühle aufkommen, weil die schönen Erinnerungen von früher so nicht nochmal wiederkommen, erklärt Tobias Esch.

"Wenn Menschen nur noch in diesem Verlustgefühl, in dieser Sehnsucht und diesem Schmerz hängen bleiben, dann wäre Nostalgie sicherlich auch etwas, was schädlich wäre."
Tobias Esch, Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF) an der Universität Witten/Herdecke

In solchen Fällen kann es sein, dass Menschen die Freude am Jetzt verlieren. Deshalb ist es wichtig, nicht nur in der Vergangenheit zu leben, sondern auch die schönen Erlebnisse im Hier und Heute zu feiern, rät er.

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Shownotes
Nostalgie
Wie gut tut uns der Blick in die Vergangenheit?
vom 09. Dezember 2024
Gesprächspartner*in: 
Toby, arbeitet im Justizvollzug und nebenbei als Content Creator, schwelgt gerne nostalgisch in Kindheitserinnerungen
Gesprächspartner*in: 
Tobias Esch, leitet das Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF) an der Universität Witten/Herdecke
Gesprächspartner*in: 
Franca Parianen, ist Neurowissenschaftlerin, Science-Slammerin und Buchautorin, arbeitet am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig
Autor*in und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Henrike Kolletzki, Frederike Seeger, Lena Korbjun
Produktion: 
Luis Meißner
Quellen: