Geschätzt tausend Frauen hält die Terrorgruppe Islamischer Staat zurzeit gefangen. Sie werden gefoltert und vergewaltigt - manche müssen jahrelang so leben. Nur wenigen gelingt die Flucht. Sie retten sich in Flüchtlingslager, aber auch dort mangelt es am Nötigsten.
DRadio-Wissen-Korrespondentin Anna Osius war im nordirakischen Flüchtlingslager Dibaga. Dort hat sie Frauen getroffen, die von IS-Kämpfern gefangen genommen, gefoltert und vergewaltigt wurden. Nur wenigen Frauen, die dieses Schicksal haben, gelingt die Flucht. Die meisten leben Jahre lang als Sklavinnen der Terroristen.
“Das Leben war schrecklich, wir hatten nicht genug zum Überleben. Mein Mann versuchte Zigaretten zu verkaufen. Die Terroristen haben ihn festgenommen, ins Gefängnis geworfen und gefoltert. Als sie sahen, dass ich um meinen Mann weinte, wollten sie mich auch schlagen und einsperren - da war ich noch hoch schwanger."
Zurzeit befinden sich schätzungsweise tausend Frauen in der Hand der terroristischen Gruppierung. Wem die Flucht gelingt, muss sich Schleusern anschließen, um es in eins der Flüchtlingslager zu schaffen. In den Lagern bietet die Hilfsorganisation Medica Mondiale den schwer traumatisierten Frauen psychologische Unterstützung an. Außerdem werden die zumeist auch körperlich schwer verletzten Frauen versorgt. Aufgrund der Verletzungen können viele von ihnen keine Kinder mehr bekommen.
Besonders hart geht die Terrorgruppe mit der religiösen Minderheit der Jesiden um. Sie überfallen ihre Dörfer und töten alle Einwohner bis auf die jungen Frauen. Auch Nadia Murad wurde von IS-Kämpfern gefangen genommen. Bevor sie entführt wurde, musste sie noch mit ansehen, wie ihre Mutter und ihre sechs Brüder von den Terroristen getötet wurden. Mit vielen anderen Frauen wurde sie in einen Bus gesteckt. Die Frauen werden dann wie Geschenke herumgereicht, sagt Nadja Murad. Viele von ihnen landen auf Sklavenmärkten und werden für wenige Euro verkauft. Drei Monate lang wurde Nadia Murad gequält, gefoltert und oft von mehreren Männern gleichzeitig vergewaltigt. Dann gelang ihr die Flucht. Inzwischen wurde sie zur "UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Opfer von Menschenhandel“ ernannt und lebt jetzt in Deutschland.
"Ein Mann suchte mich aus und zwang mich zu sich nach Hause. Er vergewaltigte und folterte mich. Als ich versuchte zu fliehen, brachte er mich zu den Wächtern, sie vergewaltigten mich ebenfalls. Alle gemeinsam - bis ich ohnmächtig wurde."
Auch wenn die Frauen unsagbares Leid erlebt haben, erlebt DRadio-Wissen-Korrespondentin Anna Osius sie in ihren Interviews als starke Persönlichkeit, die optimistisch in die Zukunft blicken. Auch wenn die Umstände auch nach der Befreiung schwierig sind, nehmen die Frauen bereitwillig ihr eigenes Schicksal in die Hand. Anime, die Frau die unsere Korrespondentin im Flüchtlingslager trifft, ist bereit alles dafür zu tun, um ihrem acht Wochen alten Baby eine gute Zukunft zu bieten.
"Es ist unglaublich wie viel Lebenskraft viele Frauen haben. Das, was ihnen passiert ist, kann nie vergessen werden, das ist ganz klar. Aber ganz viele Frauen haben doch mehr Ressourcen. Da gibt es einen Überlebenswillen."
Selbst, wenn Frauen die Flucht aus der Versklavung durch die IS gelingt, ist die Situation schwierig. Manche können sich in Flüchtlingslager retten, die völlig überfüllt sind. Oft leben zehn Menschen in einem viel zu kleinen Zelt auf engstem Raum zusammen. Die Unterkünfte bieten kaum Schutz vor den Sandstürmen, die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln ist auch dürftig. Die provisorischen Sanitäranlagen reichen kaum aus: Hundert Menschen müssen sich vier Toiletten teilen.
Opfer werden von der Gesellschaft verstoßen
Die Frauen, denen die Flucht aus der Sklaverei gelingt, haben in gewisser Hinsicht Glück gehabt, weil sie mit dem Leben davon gekommen sind. Das ändert aber nichts an den schweren Traumata und körperlichen Verletzungen, die sie erlitten haben. Hinzu kommt, dass diese Frauen, die Opfer geworden sind und jede Unterstützung gebrauchen könnten, in vielen Fällen von ihren Familien und Freunden verstoßen werden. Aufgrund der Vergewaltigungen gelten sie als nicht heiratsfähig und stehen ohne Angehörige da. Sie haben dann auch das Problem, dass sie keine Wohnungen finden können, da diese nicht an alleinstehende Frauen vermietet werden.
Durch Vergewaltigungen gezeugte Kinder
Auch den Kindern dieser Frauen ergeht es schlecht: sie gelten als illegal und erhalten keine Staatsbürgerschaft. Mitarbeiter der Vereinten Nationen sind in Gesprächen mit den Dorfräten, die in der Gemeinschaft das sagen haben. Sie wollen erreichen, dass die Frauen - die ein schweres Schicksal hinter sich haben - zusammen mit ihren Kindern eine Chance erhalten, sich ein neue Existenz aufzubauen.