Händeschütteln, Umarmen – was früher ganz normal war, vielleicht sogar erwartet wurde, ist heute tabu. Ganz klar: Corona hat unsere Umgangsformen verändert. Aber wird das Händeschütteln wieder kommen, wenn alles vorbei ist? Werden wir auch in Zukunft mit Maske rumlaufen, zunmindest zu Erkältungszeiten? Oder werden wir im Supermarkt an der Kasse wieder anfangen zu drängeln?
Bloß niemanden anstecken und auch selber nichts einfangen! Das ist das Gebot der Stunde. Hygiene schlägt Anstand – oder zumindest das, was bis vor etwas mehr als einem Jahr als höflich galt. Wenn wir uns begrüßen oder verabschieden, wenn wir Freunde treffen oder einkaufen gehen, bestimmt inzwischen Corona, was sich gehört und was nicht. Vieles davon nervt.
Aber einige neue Gepflogenheiten sind auch ganz nützlich. Henriette Kuhrt zum Beispiel geht mittlerweile nicht mehr erkältet zur Arbeit – aus Rücksicht auf die Bürokolleginnen und -kollegen.
"Ich denke, dass das alle sehr zu schätzen wissen, dass wir nicht mehr eine Gesellschaft mit einem Dauerschnupfen sind."
Henriette Kurth hat zusammen mit Sarah Paulsen ein Buch geschrieben: "Im Dschungel des menschlichen Miteinanders. Ein Knigge für das 21. Jahrhundert." Und darin haben sie der Pandemie ein ganzes Kapitel gewidmet. Sie beschäftigen sich darin aber nicht mit konkreten Vorschlägen - ob wir jetzt beim Niesen die Hand, den Ellenbogen oder ein Taschentuch vor die Nase halten sollten. Es geht ihnen um etwas Grundlegenderes: Sie überlegen sich zum Beispiel, warum sich ein Großteil der Leute an die Hygienemaßnahmen hält.
"Ich sehe das immer beim Einsteigen in den Bus, das war ja sonst der Moment, wo man maximalen Körperkontakt hatte mit Menschen, mit denen man sich das gar nicht wünscht. Da sind jetzt alle viel mehr darauf bedacht, Abstand zu halten."
Die Autorinnen glauben, dass unsere Gesellschaft solidarischer geworden ist. "Solidarität, das war etwas, das vor anderthalb Jahren noch nach SPD-Parteitag klang und gar keine Rolle gespielt hat in unserer Gesellschaft. Das ist jetzt gerade zur Tugend der Stunde geworden", sagt Henriette Kuhrt.
Mehr Solidarität und Rücksicht
Wenn wir uns nicht mehr mit Küsschen begrüßen und bei den Mitbewohnenden nachfragen, ob es ok ist, wenn wir andere Leute treffen, dann zeige das, dass wir den eigentlichen Sinn von Verhaltensregeln verstanden haben: Nämlich, dass wir dabei nicht nur an uns selber denken sollten, sondern auch an die anderen. Sarah Paulsen und Henriette Kurth glauben auch, dass die Krise unsere Aufmerksamkeit dafür geschärft hat, was wirklich wichtig ist.
"Wenn ich mir jetzt zum Beispiel überlege, was fehlt mir in meinem Alltag? Mir fehlt nicht, jederzeit shoppen zu können. Mir fehlt aber, im Restaurant zu sitzen. Mir fehlt, Menschen zu umarmen, die ich lieb habe."
Dass wir uns auch in Zukunft die Hände häufiger waschen, ist sehr wahrscheinlich, weil uns all die Viren und Bakterien stärker bewusst sind. Und wahrscheinlich werden viele Leute auch nach Corona eine Maske aufsetzen, wenn sie zum Beispiel Husten haben und beim Arzt im Wartezimmer sitzen. Ob das Händeschütteln wiederkommt? Vielleicht. Vielleicht müssen wir auch noch etwas über den Sinn und die Wichtigkeit dieses Rituals nachdenken.