Als es mit den Impfungen losging, hat es nicht lange gedauert, bis sich auch die Geschichten um die möglichen Nebenwirkungen verbreitet hatten. Und zack – lag man nach der Impfung selbst flach. Schuld daran könnte auch der Nocebo-Effekt gewesen sein.
Dass der Nocebo-Effekt bei den Impfungen gegen das Coronavirus eine Rolle spielt, wurde der Forschung bereits während der Zulassungsstudien für den Impfstoff klar. Denn bei diesen Studien bekommt immer ein Teil der Probanden den echten Impfstoff und ein anderer Teil der Probanden eine Spritze ohne Wirkstoff.
Nebenwirkungen hatten aber beide Gruppen gespürt. Bei dem Impfstoff Moderna gaben beispielsweise zwei Drittel derjenigen, die den Impfstoff bekommen hatten, an, Kopfschmerzen zu haben. Bei der Kontrollgruppe sprachen allerdings auch ein Drittel von Kopfschmerzen.
"In der Studie zu Moderna haben zwei Drittel derjenigen Kopfschmerzen bekommen, die wirklich Moderna erhalten haben, aber von denen in der Kontrollgruppe ohne Wirkstoff war es auch ein Drittel mit Kopfschmerzen."
Gefördert wurde der Nocebo-Effekt auch durch die extreme öffentliche Diskussion über die Corona-Impfstoffe, sagt die Placebo- und Nocebo-Forscherin Ulrike Bingel vom Uniklinikum Essen.
Nocebo hat nichts mit Einbildung zu tun
Aber: Der Nocebo-Effekt hat nicht – wie man es meinen könnte – mit eingebildeten Nebenwirkungen zu tun. Die körperlichen Reaktionen können in den meisten Fällen sogar nachgemessen werden, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Verena von Keitz. Allerdings kann im Einzelfall natürlich nicht geklärt werden, ob die Nebenwirkungen wirklich vom Nocebo-Effekt oder vielleicht doch von der Therapie stammen.
"Der Nocebo-Effekt hat nichts mit Einbildung zu tun, sondern er führt wirklich zu körperlichen Reaktionen, die du auch messen kannst."
Man bekommt, was man erwartet
Stark beeinflusst wird der Nocebo-Effekt von der negativen Erwartungshaltung. Hören wir also von vielen Freundinnen und Freunden, dass es ihnen nach der ersten oder zweiten Impfung besonders schlecht ging, erwarten wir es bei uns nicht anders.
Das zeigt auch eine Studie aus dem Jahr 2014 von einem italienischen Placebo-Forscher: Dieser hatte mit zwei Gruppen von Studierenden eine Wanderung auf 3000 Meter Höhe gemacht. Mit der einen Gruppe der Studierenden ist der Forscher ohne große Vorankündigungen auf den Berg. Bei der anderen Gruppe hatte er am Abend zuvor einem der Studenten erzählt, dass es am Berg oben häufig zu Höhenkopfschmerzen kommen könnte. Dieser hatte die Info dann unter den anderen verbreitet.
Die Folge: In der Gruppe mit den vor angekündigten Kopfschmerzen hatte ein großer Teil der Studierenden oben am Berg Kopfschmerzen. Tatsächlich ließen sich bei den Studierenden bestimmte Stoffwechselprodukte im Speichel nachweisen, die bei Höhenkopfschmerzen auftreten. In der anderen Gruppe gaben deutlich weniger Studierende an, Kopfweh zu haben.
Je mehr man darüber spricht, desto größer wird der Nocebo-Effekt
Wie wahrscheinlich es war, dass die Studierenden Höhenkopfschmerzen bekamen, hing auch davon ab, wie oft sie mit dem Gerücht konfrontiert wurden.
Je mehr wir uns derzeit also in persönlichen Gesprächen, aber auch durch unsere Mediennutzung mit den Nebenwirkungen der Corona-Impfungen beschäftigen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir selbst Nebenwirkungen erleiden.
Corona-Impfung: Schmerzen positiv sehen
Wer geimpft wird, sollte dennoch erst mal nicht zu ängstlich auf die angekündigten Nebenwirkungen warten, sondern es so gut es geht auf sich zukommen lassen. Tauchen die Nebenwirkungen dennoch auf, kann es helfen zu wissen, dass sie zu einem Teil auch auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind, sagt Verena von Keitz.
"Es hilft vielleicht, wenn du weißt, dass ein Teil der berichteten Impfreaktionen auf den Nocebo-Effekt zurückgeht."
Oder: Man sieht es positiv und freut sich sogar über die Nebenwirkungen. Denn im Endeffekt bedeutet das ja nur, dass das Immunsystem gerade auf Hochtouren läuft und das ist schließlich in diesem Kontext ein gutes Zeichen.