In Nigeria sind letzten Monat Tausende, vor allem junge Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren – vor allem gegen die Spezialeinheit SARS. Diese ist zwar jetzt abgeschafft, doch das reicht den Demonstrierenden nicht.
Der bereits 1992 gegründeten Special Anti-Robbery Squad (SARS) werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Rede ist von exzessiver Gewalt, Folter, Vergewaltigungen und sogar Hinrichtungen, berichtet Dunja Sadaqi, ARD-Korrespondentin für Nordwestafrika.
Tödliche Schüsse
Die Proteste gegen Polizeigewalt in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat waren gewaltsam, mindestens 69 Menschen wurden dabei getötet. Dabei soll die nigerianische Armee auch Schüsse auf friedliche Demonstrierende abgefeuert haben.
"Sie haben uns gesagt: Besorgt euch Flaggen! Sobald das Militär kommt, schwingen wir friedlich die Flaggen, dann schießen sie nicht. Wir hatten alle Flaggen – und trotzdem haben sie auf uns geschossen. Und Leute sind gestorben."
Doch die #EndSARS-Kampagne hatte Erfolg – zumindest auf dem Papier: Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hat die Spezialeinheit inzwischen aufgelöst und durch eine neue namens SWAT ersetzt. Doch den Demonstrierenden reicht das nicht, sie fordern eine umfassende Polizeireform. Und nicht nur das: Auch gegen Korruption und für eine bessere Regierungsführung gehen die Menschen auf die Straße. Der brutale Umgang mit der Protestbewegung hat den Zorn auf die Regierung zusätzlich angeheizt.
Proteste gehen weiter
Dass allein die Schaffung der neue Einheit SWAT die Probleme im Land löst, glaubt auch Dunja Sadaqi nicht. Über 60 Prozent der 200 Millionen Einwohner Nigerias sind unter 24. Es ist vor allem eine Jugendprotestbewegung. Es sind mehrheitlich gut ausgebildete junge Menschen, die sich im Internet vernetzen und die sich von der politischen Führung, personifiziert durch den 77 Jahre alten Präsidenten Buhari, nicht genug wahrgenommen fühlen.
Die Mitglieder der Protestbewegung sagen, bei SWAT habe sich nur der Name verändert, die Polizeibeamten seien geblieben. Tatsächlich habe Nigerias Regierung die SARS nicht zum ersten Mal formell abgeschafft bzw. reformiert, bestätigt Dunja Sadaqi. Die Menschen wollten jetzt Taten sehen, bevor sie ihre Proteste beenden.
"Nigerias Regierung hat SARS nicht zum ersten Mal abgeschafft bzw. reformiert. Das ist schon ein paar Mal passiert."
Laut nigerianischer Regierung soll eine Aufklärungskommission eingesetzt werden, Polizisten sollen verhaftet worden sein und es soll einen Entschädigungsfonds für die Opfer von Polizeigewalt geben. All diese Ver- und Ankündigungen der Regierung seien aber nicht glaubhaft, sagt die Protestbewegung. Denn auch danach sei es zu Gewalt gekommen, die Regierung reagiere auf die Proteste gegen Polizeigewalt mit noch mehr Gewalt.
Internationaler Strafgerichtshof wird aktiv
Tatsächlich sollen vergangenen Monat – also nach den Ankündigungen der Regierung - nigerianische Sicherheitskräfte in der Küstenstadt und Wirtschaftsmetropole Lagos scharf auf friedliche Demonstrierende geschossen haben. Medienberichte, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Augenzeugen sprechen von etwa 20 Toten und vielen Verletzten. Auch in anderen Städten kam es zu Ausschreitungen mit Toten.
Es geht inzwischen also um mehr als "nur" um mutmaßliche Verbrechen der SARS. Mittlerweile hat sich auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eingeschaltet. Die Anklagebehörde hat der BBC bestätigt, Ermittlungen wegen möglicher Verbrechen bei den Ausschreitungen in den vergangenen Wochen zu prüfen. Das Gericht in Den Haag kann Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der kriegerischen Aggression verfolgen.