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Rhein, Elbe und viele andere Flüsse haben zurzeit sehr wenig Wasser. Schiffe können nur noch halb so viel laden. Für Binnenschiffer steigen der Stress und auch die Unfallgefahr. Aufgrund des Klimawandels werden die Probleme größer.

Wenn die Fahrrinne auf dem Rhein wegen des Niedrigwassers enger wird, dann "kloppst du dich da auf 30, 40 Metern mit anderen Schiffen", sagt Binnenschiffer Tobias Bell. Was wie eine Prügelei auf dem Schulhof klingt, sieht bei den großen Frachtern auf dem Rhein ganz anders aus: Im Schnitt haben sie eine Länge von über 130 Metern und sind über 17 Meter breit. Es wird bei Niedrigwasser also richtig eng, wenn zwei Schiffe aneinander vorbei wollen.

"Wenn die Fahrrinne so verengt ist, musst du viel krasser aufpassen, dass du nicht mit einem anderen Schiff kollidierst."
Tobias Bell, Binnenschiffer

Denn jeder Binnenschiffer versucht, "den Weg der tiefsten Fahrrinne zu fahren". Schließlich will keiner auf Grund laufen, was passieren kann, wenn die Pegelstände so niedrig sind. Und dann wird es per Funk unter den Schiffern schon mal hitzig, erzählt der 32-Jährige. Mit seinem Bruder betreibt er ein Schifffahrtsunternehmen in der achten Generation und weiß, wie es ist, auf einer Sandbank hängen zu bleiben.

Halbe Fracht bei gleichen Kosten

Bei Niedrigwasser dürfen die Schiffe deshalb auch nur halb beladen werden. Tobias Bells Frachter hat derzeit 1.100 Tonnen Geröll, Schlamm und Holz geladen, normalerweise kann er das doppelte fassen. Damit schippert er jetzt den Rhein hoch nach Duisburg, wo der Frachtinhalt zum Auffüllen für Kiesgruben abgeladen wird.

Tobias Bell im Fahrerstand seines Binnenschiffs
© Tobias Bell
Tobias Bell im Fahrerstand seines Schiffs

Finanziell ist es für seine Kunden ein Minusgeschäft, weil der Frachter nur mit der halben Ladung fährt, die Kosten aber dieselben sind. Dann ist Tobias Bells Verhandlungsgeschick gefragt, "weil der Kunde natürlich auch sagt, dass ihm das irgendwann zu teuer ist".

Für den Binnenschiffer selbst ist Niedrigwasser zunächst gut, weil die Nachfrage nach Frachtschiffen größer wird, da diese nur die Hälfte laden dürfen - das Angebot an Kapazitäten wird also geringer. Kunden, denen die Kosten aber zu hoch werden, würden dann auf den LKW- oder Schienentransport umsteigen.

Die Rechnung geht aber nicht bei jedem Frachtgut auf, denn ein Binnenschiff kann bis zu 150 Laster ersetzen. Bei besonders schweren oder sperrigen Gütern kann das am Ende sehr viel teurer werden.

Phasen von Niedrigwasser könnten länger und extremer werden

Das diesjährige Niedrigwasser im Rhein liegt zum einen daran, dass es in diesem Winter in den Alpen weniger geschneit hat. Der Rhein wird durch die Schneeschmelze und den Niederschlag gefüllt, erklärt Marieke Frassl. Sie ist Wissenschaftlerin an der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Aber auch der Niederschlag ist in den vergangenen Monaten so gut wie ausgeblieben.

"Wir befinden uns jetzt schon in einer längeren trockenen Phase."
Marieke Frassl, Wissenschaftlerin bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde

Das hohe Niederschlagsdefizit der vergangenen Wochen führt dazu, dass die Flüsse weniger Wasser führen, erklärt die Wissenschaftlerin. Zukünftig rechne man damit, dass es im Sommer eher zu Niedrigwasser in den Flüssen komme, während es im Winter eher mehr oder Hochwasser geben werde.

Forschende gehen davon aus, dass die Extremen zwischen Niedrig- und Hochwasser größer werden und die Phasen von Niedrigwasser länger und stärker werden, sagt Marieke Frassl. "Das liegt daran, dass sich zum einen die Lufttemperatur erwärmt und dadurch mehr Wasser aus den Flüssen, den Gewässern und der Landschaft verdunstet und nicht mehr für die Flüsse zur Verfügung steht", erklärt die Wissenschaftlerin.

Gleichzeitig komme hinzu, dass sich die Zirkulation in der Atmosphäre durch den Klimawandel verändert. Das wiederum verändert, wann und wie viel Regen fällt. Diese veränderte Niederschlagsmenge wirke sich wiederum darauf aus, wie viel Wasser die Flüsse führen.

Rinnsal statt Rhein?

Beim Rhein kommt noch hinzu, dass er durch das Schmelzwasser der Gletscher gespeist wird. Wenn die Gletscher irgendwann aufgrund des Klimawandels verschwunden sind, wird dem Rhein dieses Wasser zusätzlich fehlen.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde erforscht die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer, außerdem stellt die Behörde Informationen für die Binnenschifffahrt online zur Verfügung. Auf der Plattform können Binnenschiffer dann Tage oder Woche im Voraus beobachten, wie sich die Wasserstände entwickeln.

Mit Blick auf die Zukunft überlegt Schiffer Tobias Bell, die Schiffe flacher umbauen zu lassen, damit sie besser durch flaches Gewässer kommen.

"Es ist nicht auszuschließen, dass irgendwann mal der Punkt kommt, an dem man sagen muss: Jetzt geht es einfach nicht mehr."
Tobias Bell, Binnenschiffer

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Niedrigwasser im Rhein
Warum Binnenschiffer gerade Stress haben
vom 16. April 2025
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Tobias Bell, Binnenschiffer
Gesprächspartnerin: 
Marieke Frassl von der Bundesanstalt für Gewässerkunde