Wohin im Urlaub? Nach Frankreich? Asien? Neuseeland? Wie wäre es mit der eigenen Straße. Genau das hat ein junger Niederländer ausprobiert - ein ganzes Jahr lang.
Marnix Haak ist 29 Jahre alt und hat beschlossen, für ein Jahr seine Straße nicht mehr zu verlassen - die Java-Straat in einem etwas ruhigeren Viertel von Amsterdam. Ungefähr 600 Meter ist sie lang. Und das ist jetzt Marnix Welt, seit mittlerweile 274 Tagen.
Vor seinem Experiment hat Marnix ein ganz normales Leben geführt, wie vermutlich viele von uns. Er hatte einen stressigen Job beim Fernsehen, zu dem er einmal quer durch die Stadt musste. Überstunden, abends noch schnell Wäsche waschen oder noch mal durch die Stadt, um einen Freund zu treffen. Das ist ihm irgendwann alles zu viel geworden.
Der Urlaub in der Java-Straat ist also eine Flucht vor Überlastung. Am Anfang seines ersten Videos überlegt Marnix, was er in der Zeit, in der er hin- und herpendelt alles machen könnte. Drei Monate lang Richtung England schwimmen, oder doch lieber einfach aufs Fahrrad setzen? Marnix entscheidet sich dafür, ein Jahr in seiner Straße zu bleiben. Also ist seine persönliche Flucht aus seinem stressigen alten Leben auch eine Kritik an dem Leben, die wir alle führen. Andauernd irgendwo hinfliegen. Abhetzen, um irgendwo Leute zu besuchen. Dabei haben wir keine Ahnung, wer neben uns wohnt und was eigentlich vor unserer Haustür passiert. Und genau das wollte Marnix ändern.
Auf den 600 Metern, auf denen er sich bewegt, gibt es zwei Supermärkte, einen Kiosk, ein Café, eine Kneipe, ein Restaurant, eine Kirche und eine Bibliothek. Außerdem einen Allgemeinmediziner. Damit kommt Marnix erst mal ganz gut klar. Er musste sich aber auch selbst an die Einschränkung gewöhnen. Am ersten Tag ist er zum Geldautomaten gegangen, wo er früher immer Geld geholt hat und hat erst hinterher festgestellt, dass der 50 Meter außerhalb seiner Straße liegt.
Kein großes Drama - Marnix hat den Countdown einfach wieder von vorne gestartet und sich extra eine große Uhr gekauft, die die Tage und Stunden rückwärts runterzählt. Er hat aber auch zwei Ausnahmen genehmigt, bei denen er sich selbst erlaubt, den Stadtteil zu verlassen: im Falle eines familiären Notfalls und bei einem Trauerfall. Aber für Freunde von Marnix heißt das, sie müssen jetzt ihn besuchen, wenn sie ihn sehen wollen.
Die Stadt Amsterdam unterstützt Marnix
Und auch finanziell kommt er um die Runden: Die Stadt Amsterdam unterstützt ihn und er hat mittlerweile auch Sponsoren. Außerdem hat er eine Crowdfunding-Kampange gestartet. Dafür gibt es dann jeden Tag ein neues Video aus der Java-Straat für die Community und er hat eine Karaokeparty geschmissen.
Geändert hat sich, dass Marnix viel mehr Zeit hat. Er muss nirgendwo mehr hinfahren und arbeitet von Zuhause. Und er kennt wirklich fast alle Leute in seiner Straße. Er weiß, wer jeden Morgen sauber macht, wer der Kioskbesitzer ist, oder der Mann, der immer singend mit seinem knallbunten Fahrrad durch die Straße fährt. Marnix kennt jetzt auch alle seine Nachbarn und hat so zum Beispiel auch erfahren, dass eine totkranke Frau direkt neben ihm wohnt, was ihm vorher nicht bewusst war. Und mit all diesen Leuten redet er regelmäßig.
Außerdem hat er in seiner Zeit in der Straße jetzt schon mitbekommen, wie sich alles verändert. Stichwort Gentrifizierung. Läden schließen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, Leute müssen ausziehen, weil Wohnungen saniert werden, um sie nachher teurer zu vermieten.