Ein Kilo Nektarinen für 99 Cent – an vielen Obst- und Gemüsetheken in Deutschland gibt es Sparangebote wie dieses. Herkunftsländer sind oft Spanien oder Italien. BR-Journalist Jan Zimmermann erklärt, was unser billiges Obst und Gemüse für die Erntehelfer vor Ort bedeutet.
An vielen Obst- und Gemüsetheken in Deutschland gibt es täglich Sparangebote aus Italien oder Spanien. Zum Teil werden die Betriebe aus EU-Mitteln subventioniert. Aber macht das allein den günstigen Preis möglich? Jan Zimmermann, Journalist beim Bayerischen Rundfunk, hat recherchiert, wie Produzenten in diesen Ländern die billigen Preise gewährleisten können.
Dabei haben er und seine Kollegin Vanessa Lünenschloß herausgefunden, dass die Erntehelfer unter sehr schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen arbeiten – obwohl die Hersteller oft Subventionen der EU erhalten würden.
Wenig Geld und schlechte Bedingungen
Die Arbeitsbedingungen für Erntehelfer könne man sich so vorstellen, dass die Menschen in Spanien hauptsächlich im Gewächshaus und in Italien im Gewächshaus und auf dem freien Feld arbeiten würden, sagt Jan Zimmermann. Das sei harte körperliche Arbeit, die zwischen 10 und 14 Stunden am Tag dauern würde – und das bei teils 40 bis 50 Grad.
"Das ist wirklich ein Knochenjob. Und man verdient dann auch noch wenig Geld."
In Almeria in Spanien, einer der größten Regionen Europas für Obst- und Gemüseproduktion, würde ein Tagelöhner im Durchschnitt rund 25 Euro verdienen. Obwohl im geltenden Tarifvertrag fast das Doppelte festgelegt sei. Tagelöhner bedeute in diesem Fall, dass nicht unbedingt jeden Tag, sondern nur auf Abruf gearbeitet werde, erklärt Jan Zimmermann.
Die meisten dieser Tagelöhner seien Flüchtlinge oder Migranten ohne Papiere. Wohnen würden sie in einer Art Slum; in den Chabolas in Spanien und illegalen Zeltstädten in Italien – in Hütten aus Müll.
"Es ist zwar illegal, aber trotzdem gibt es diese Orte. Es sind Elendsorte, aber keiner tut etwas."
Jan Zimmerman sagt auch, dass sie im Zuge der Recherche Regionalpolitiker mit ihren Rechercheergebnissen konfrontiert hätten. In Spanien hätten sie als Antwort erhalten, dass es doch Kontrolleure gebe, die sich die Betriebe vor Ort anschauen und prüfen würden. Allerdings kämen in wichtigen Regionen wie in Almeria auf 17.000 Betriebe nur 20 Kontrolleure.
"Wir haben das im Nachhinein nochmal recherchiert, im Bezug auf Spanien, und haben festgestellt: Das ist natürlich ein Witz. Die Behörden haben uns bestätigt; es gibt in der Region Almeria nur 20 Arbeitskontrolleure für 17.000 Betriebe. Man kann sich vorstellen, wie oft ein Betrieb einen Kontrolleur sieht."
Subventionen trotz Verstoß
Kritisch sieht er auch die EU-Subventionen: Ein Bio-Tomatenproduzent in Almeria, der seine Erntehelfer nachgewiesen schlecht behandeln und bezahlen würde, habe in drei Jahren rund 3,4 Millionen Euro Subventionen erhalten.
"Ein Bio-Tomatenproduzent hat in den vergangenen drei Jahren alleine 3,4 Millionen Euro erhalten. Obwohl er seine Beschäftigten schlecht behandelt – also gegen Lohn- und Arbeitsvorschriften verstößt."
Über diese Ergebnisse hätten sie auch Parlamentarier in Straßburg, im EU-Parlament informiert, sagt Jan Zimmermann. Zwar hätten sich mehrere Personen aufgeregt und eine stärkere Kontrolle und bei Missständen eine Kürzung von Subventionen gefordert. Aber der EU-Kommissar sehe aktuell keinen Handlungsbedarf – auch nicht beim Subventionsprogramm, dass derzeit erarbeitet werde.
Die gesamte Recherche "Europas dreckige Ernte – Das Leid hinter dem Geschäft mit Obst und Gemüse" von Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann wird am 09. Juli, 22.35 Uhr, in der ARD ausgestrahlt.
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