Manche Menschen sehen die Welt eher pessimistisch. Das liegt meist an den Erfahrungen, die sie im Leben machen und auf die Zukunft übertragen. Dabei ist ein bisschen Pessimismus sogar ganz gut, meint Neurowissenschaftler Henning Beck.

Dinge im Leben eher negativ zu betrachten oder zu bewerten, sie pessimistisch einzuschätzen, diese Lebenseinstellung ist im Gehirn mit bestimmten Regionen verbunden, erklärt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Beispielsweise ist die Inselrinde zuständig für die Verarbeitung von negativen Erinnerungen. Bei den Basalganglien wird vermutet, dass sie daran beteiligt sind, diese negativen Erinnerungen in die Zukunft fortzuschreiben. Diese verschiedenen Regionen entwerfen für uns dann eine Art Vorhersagemodelle und dementsprechend machen wir uns dann ein Bild von der Zukunft, sagt Henning Beck.

Schlechte Gefühle aus der Vergangenheit wirken nach

Pessimistische Menschen neigen vermutlich eher dazu, negative Erlebnisse aus der Vergangenheit besonders herauszupicken und intensiv zu verarbeiten. Grundsätzlich neigt der Mensch dazu, Niederlagen intensiver als Siege zu verarbeiten, erklärt der Neurowissenschaftler. Somit sind schlechte Gefühle aus der Vergangenheit intensiver und präsenter als positive.

Hinzu komme aber auch eine Art psychologischer Trick, indem wir grundsätzlich alles erst einmal negativ bewerten. Wenn sich dann tatsächlich das Scheitern oder die Katastrophe abzeichne, dann bestätige das die eigene Grundhaltung und vermittele einem selbst eine gewisse Sicherheit im Sinne von: "Ich habe es ja gleich gesagt." Tritt die Katastrophe aber nicht ein, dann kann sich der- oder diejenige über die positive Überraschung freuen.

"Pessimismus darf nicht zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Das ist ein Problem."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Wirkliche Tricks, wie jemand vom Pessimisten zum Optimisten wird, also wie wir unser Gehirn austricksen, gibt es nicht. Aber wir könnten der negativen Lebenseinstellung mit einer Art Realitätscheck entgegenwirken, mein Henning Beck. Das könnte helfen, das negative Framing, also alles grundsätzlich schlecht zu reden, abzuschwächen.

Reiner Optimismus ist auch nicht gut

Das andere Extrem, also alles positiv zu sehen, kann laut Studien sich aber auch negativ auswirken, sagt Henning Beck. Diesen Menschen fehle dann der Antrieb, sich für eine positive Zukunft einzusetzen, weil eh alles schon super laufe. Ihr Zukunftsmodell, das ihr Gehirn entwirft, ist so positiv, dass sie nicht mehr motiviert sind, etwas zu tun.

"Mit anderen Worten, du musst optimistisch unzufrieden sein. Das wäre eine sehr produktive Einstellung."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Demnach kommen weder Optimistinnen besser durchs Leben als Pessimistinnen. Eine Mischung aus beidem hält Henning Beck für das Beste, sodass die Person das Gefühl hat, nicht ganz zufrieden zu sein und sich für die Zukunft einsetzen zu müssen, aber in dem Vertrauen, dass es besser werden kann. Diese Aussicht, dass es besser werden kann, sei die Grundvoraussetzung dafür, dass wir uns anstrengen.

Shownotes
Neurowissenschaften
Pessimismus in Maßen ist nützlich
vom 10. Dezember 2022
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler