Durchleben wir im Moment des Todes unser gesamtes Leben noch einmal? Ein EEG, das erstmalig während des Sterbeprozesses bei einem Mann durchgeführt wurde, gibt Aufschluss darüber, was zum Todeszeitpunkt in unserem Hirn abläuft.
Ein 87-jähriger Mann kommt nach einem Sturz ins Krankenhaus. Aufgrund einer Gehirnblutung muss der Mann sofort operiert werden. Während der Operation wird die Gehirnaktivität des Mannes per Elektroenzephalografie (EEG) überwacht. Es kommt zu Komplikationen, der Patient hat Krampfanfälle und verstirbt noch während der Operation.
Dieser bedauerliche Unglücksfall führt dazu, dass die Gehirnaktivität des Mannes – mit dem Einverständnis seiner Angehörigen – vor, während und nach seinem Herzstillstand gemessen werden konnte. Dadurch erhalten die Mediziner neue Erkenntnisse darüber, was sich während des Sterbeprozesses in unserem Gehirn abspielt.
"Das ist tatsächlich ein Sonderfall in der Wissenschaftsgeschichte: Es kommt selten vor, dass man sterbende Menschen in diesem Sterbeprozess untersucht."
Die Mediziner haben eine 900-sekündige Sequenz der Gehirnaktivität des versterbenden Patienten aufgezeichnet. Bei der Auswertung haben sie sich insbesondere die Messungen 30 Sekunden vor und nach dem Herzstillstand angesehen.
Auffällig war dabei, dass auch kurz nach dem Herzstillstand Gammawellen gemessen werden konnten, die ein Hinweis auf eine sehr hochfrequente Gehirnaktivität sind, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Gammawellen treten vor allem bei Geistesblitzen auf oder wenn wir besonders aufmerksam sind. Neurowissenschaftler Henning Beck beschreibt diesen Zustand als ein Höchstmaß an geistiger Aktivität.
Höchstmaß an geistiger Aktivität kurz nach dem Eintritt des Todes
Ein Erklärungsansatz dafür ist, ähnlich wie es beispielsweise auch in Spielfilmen dargestellt wird, dass Erinnerungen an unser Leben vor unserem geistigen Auge vorüberziehen, sagt Henning Beck. Denn mehr Power könne man im Gehirn nicht haben als bei solch einem 'Gammaburst', erklärt der Neurowissenschaftler diesen Zustand.
Um diese Gehirnaktivität zu erklären, sei es aber auch wichtig zu bedenken, dass der Patient eine Gehirnblutung gehabt habe und möglicherweise auch Medikamente auf sein Hirn eingewirkt und diese Reaktion ausgelöst haben könnten, sagt Henning Beck. Trotzdem sei es nicht unwahrscheinlich, dass das Hirn im Moment des Todes besonders wach oder aktiv sein könnte, was die gemessenen Gammawellen zumindest vermuten lassen.
"Ein Elektroenzephalogramm eignet sich deshalb so gut, weil es eine Methode ist, bei der man die Aktivität der Nervenzellen Millisekundengenau messen kann."
Mit den Berichten, die nach Nahtoderfahrungen dokumentiert wurden, lasse sich dieser Fall nicht vergleichen, sagt der Neurowissenschaftler. Denn bei Nahtoderfahrungen komme es nicht zum Todesfall, und die Beschreibungen beziehen sich auf die Minuten und Sekunden vor einem zeitweiligen Herzstillstand. Bei dem beschriebenen Fall seien es Bruchteile von Sekunden vor und nach dem tatsächlichen Todeszeitpunkt, erklärt der Neurowissenschaftler Henning Beck.
Um aber vergleichbare und valide Daten sammeln zu können, müsste es zehn, hundert oder fünfhundert vergleichbarer Fälle geben, um tatsächlich wissenschaftliche Schlüsse daraus ziehen zu können.