Ein Lachen, ein Schrei, ein Seufzen: Wir können Gefühlen anhören, ob sie stark oder schwach sind – auch ohne ein einziges gesprochenes Wort. Je stärker eine Gefühlsäußerung jedoch ist, desto uneindeutiger wird unsere Interpretation.
Die Intensität hörbarer Gefühlsäußerungen können Menschen gut erkennen. Wenn es aber zu intensiv wird, fällt das Erkennen bestimmter Gefühle schwer. Nonverbale Gefühlsäußerungen lassen sich zwar sprachlich klar benennen, bei besonders intensiven Gefühlen, können wir aber nicht mehr so genau erkennen, welches Gefühl die hörbare Äußerung meint.
Darauf deutet die Arbeit der Neuroforschenden Natalie Holz, Pauline Larrouy-Maestri und David Poeppel hin. Sie arbeiten am Department of Neuroscience am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik und dem Department of Psychology der New York University.
Sie haben einen paradox wirkenden Zusammenhang zwischen der Intensität von Gefühlsausdrücken und ihrer Wahrnehmung aufgedeckt, der dem bisherigen wissenschaftlichen Konsens in Teilen widerspricht. Bisher galt – vereinfacht gesagt – die Formel: Je intensiver und emotionaler ein Gefühl zum Ausdruck kommt, desto eindeutiger wird es auch verstanden.
Gefühle angeordnet in Audiofiles
Das Forschungs-Team wollte genauer feststellen, wie Menschen Gefühle in nonverbalen Äußerungen verstehen. Also ob wir beispielsweise einen Freuden-Schrei von einem Angst-Schrei unterscheiden können.
Dazu haben sie eine Datenbank mit Audiodateien angelegt, auf denen bestimmte Gefühle wie Erfolg, Schmerz, Ärger, Angst, Lust und Überraschung in verschiedenen Intensitäten zu hören sind. Angefangen von leichtem Ärger über mittleren bis hin zu sehr starkem Ärger, ergab sich eine akustische Tonleiter der Gefühle.
"So eine Art Gefühlstonleiter haben die Forschenden dann auch noch für andere Emotionen angelegt"
Dieses Spektrum haben die Forschenden dann Probandinnen und Probanden vorgespielt. Sie sollten die Intensität dieser nonverbalen Gefühlsäußerung bewerten. Überraschend für die Forschenden war nun, wie oft sich die Probandinnen und Probanden getäuscht haben. Die Zuordnung von Gefühlen und Intensitäten funktionierte nur relativ exakt. Auffallend ungenau klappte das allerdings dann, wenn die Gefühlsäußerungen besonders intensiv waren.
Je intensiver, desto vieldeutiger
Die Skala der Angstäußerungen beispielsweise wirkt auch auf Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Veronika von Borries mit zunehmender Intensität der Emotion vieldeutiger – vor allem, wenn man direkt die intensive Variante hört, aber nicht weiß, um welches Gefühl es dabei gehen soll.
"Wenn ich nicht wüsste, was das für ein Gefühl sein soll und man fragen würde: Ist das jetzt Sex, Schmerz oder Angst? Ich wäre mir nicht mehr so sicher."
Die Probandinnen und Probanden hatten Schwierigkeiten, akustische Äußerungen von sehr intensiven Gefühle eindeutig zu erkennen. Die Zuordnung, ob beispielsweise ein positives oder ein negatives Gefühl hörbar war, die war schwierig.
Veronika sagt: "Ich stelle mir das immer ein bisschen wie ein Mikrofon vor, das bei zu großer Lautstärke übersteuert. Man hört dann schon noch irgendwie, dass es laut ist, aber was genau das für ein Geräusch ist, das kann man nicht mehr erkennen."