Permanent bedrängt: im digitalen Leben oder direkt vor der Tür. Bisher war es für Stalking-Opfer schwer, sich gegen Täter zu wehren. Ein neuer Gesetzesentwurf will das ändern und hat eine wichtige Hürde genommen.
Im Anti-Stalking-Gesetz war ein Straftatbestand bisher erst gegeben, wenn eine "schwerwiegende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung" vorlag. Und es war ein sogenanntes Erfolgsdelikt. Das heißt, die Täter mussten es mit ihrem Nachstellen geschafft haben, in das Leben ihrer Opfer einzudringen. So sehr, dass diese gezwungen waren umzuziehen, die Arbeitsstelle zu wechseln oder krank wurden. Problematisch daran: Es zählt nicht die Tat an sich, sondern nur ihr Effekt.
Nicht mehr warten auf die Folgen
"Bisher musste das Opfer sein Verhalten verändern", erklärt Gudula Geuther, Korrespondentin in Berlin. Damit soll nun Schluss sein. Bundesjustizminister Heiko Maas sagt: Es darf nicht von davon abhängen, ob das Opfer dem Druck des Täters nachgibt und sein Leben ändert. In Zukunft reicht es, dass die Tat "dazu geeignet ist", schwer wiegenden Folgen zu haben. Heute hat das Bundeskabinett den neuen Gesetzesentwurf beschlossen.
Für Mary Scherpe ist das "ein wichtiger erster Schritt". Die Modebloggerin hat selbst unter einem Stalker gelitten. Über ihre Erfahrungen, aber auch die Probleme mit der Polizei hat sie gebloggt und ein Buch geschrieben. Vor allem hat sie darum gekämpft, dass das Gesetz geändert wird: 80.000 Unterschriften sammelte sie mit einer Online-Petition. Aus ihrer Anzeige wurde damals nämlich nichts - obwohl der Stalker sie fast täglich mit Paketen, Briefen und Beleidigungen auf Fake-Profilen bedrängte.
Ein erster Schritt
Mary Scherpe sagt, jetzt komme es auf die Umsetzung an. Auf die ersten richterlichen Entscheidungen, aber auch auf Schulungen für Beamte, die mit diesen Fällen zu tun haben.
Auch am Strafmaß ändert sich nichts. Konkretisiert wurde aber, welcher Art Stalking-Taten sein können: Von Telefonterror, Nachstellen bis Online-Bestellungen. "Man könnte aber noch konkreter fassen, was diese Lebensbeeinträchtigungen bedeuten", erklärt DRadio-Wissen-Reporterin Gudula Geuther die kritischen Punkte. Noch besteht auch bei der Regelung der Opferentschädigung Verbesserungsbedarf.
In einem weiteren Punkt soll das Gesetz Opfer entlasten - bisher konnte das Verfahren als Privatklage geführt werden. Durch eine mögliche Übernahme der Prozesskosten bedeutete dies eine finanzielle Belastung für die Kläger, auch dadurch waren viele von einer Klage abgeschreckt. Bisher wurden jährlich nur etwa 20.000 Fälle zur Anzeige gebracht, in nur etwa einem Prozent der Fälle kam es zur Verurteilung.
"Eine Anzeige ist unerlässlich. Auch um zu zeigen, wie viele Menschen davon betroffen sind."
Endgültig verabschiedet - und einsatzbereit - ist die Verschärfung des Gesetzes nach der Verabschiedung im Bundestag. Mary Scherpe empfiehlt Opfern: "Aufs Bauchgefühl hören, wenn Grenzen überschritten wurden, die nicht zu überschreiten sind. Ganz wichtig: es nicht für sich behalten, sich nicht zu schämen, andere einbeziehen."