Es drohen Schulden und psychischer Druck: Werbevideos für Network-Marketing oder Multi-Level-Marketing auf Tiktok oder Youtube versprechen zwar das schnelle Geld – glauben solltet ihr das aber nicht. Wer von dem System profitiert und wer nicht.

Ihr verkauft euren Freunden ein digitales Produkt. Die verkaufen es dann ihren Freunden – ihr kassiert Provision. Die Freunde verkaufen es dann wieder ihren Freunden – ihr kassiert noch mal Provision. Und so weiter und so weiter. Am Ende landet so äußerst unkompliziert ganz viel Geld auf eurem Konto. So lautet, grob formuliert, das verlockende Versprechen unseriöser Anbieter von sogenanntem Network-Marketing, auch Multi-Level-Marketing (MLM) genannt.

"Oft werden Nahrungsergänzungsmittel angeboten (...) [oder] völlig überteuertes Make-Up, das du im Supermarkt oder bei der Drogerie viel günstiger kriegen würdest."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Network-Marketing wird nicht nur bei Finanzprodukten angewendet, weiß Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Oft seien es Dinge des täglichen Lebens, nicht selten von nicht so hoher Qualität. Beispiel: Nahrungsergänzungsmittel oder überteuerte Kosmetika, die es in den Drogerien vor Ort wesentlich billiger gibt.

Reich werden nur die an der Spitze

Vom Multi-Level-Marketing profitieren meist nur die, die sich an der Spitze des Systems befinden. Für die große Masse lohnt sich das System dagegen überhaupt nicht, sagt Nicolas Lieven. Sie investieren sehr viel eigenes oder geliehenes Geld und auch sehr viel Zeit.

Teilweise gibt es tagelange Seminare, die oft aufgezogen sind wie bei einer Sekte. Heißt: Die Seminarteilnehmenden leben am Ende nur noch für den Job. Michelle (heute 23) aus Wiesbaden kann das bestätigen. Sie war vor einigen Jahren (mit 18) nämlich mittendrin.

Michelle, Aussteigerin aus dem Network-Marketing
"Ich finde es traurig zu sehen, weil diese Leute da auch schwer wieder rauskommen. Es ist ja schon so etwas sektenartig, wie die da Leute reinziehen und von ihrem Umfeld abschotten."

Mit teuren Schulungsvideos sollte Michelle lernen, wie man "Forex-Trading", also Devisenhandel, betreibt. Doch statt erfolgreich zu traden und viel Geld zu verdienen, ging es eher darum, diese Videos immer und immer weiterzuverkaufen an ihre Freunde und ihre Familie, hat sie uns erzählt. Sie sei zeitweise "gebrainwasht" worden.

Das gesamte Gespräch mit Michelle könnt ihr nachhören, wenn ihr oben auf das grüne Audiosymbol klickt.

@michellesdrama

@Levi Penell leistet tolle Arbeit, hört dem zu 👏🏼👏🏼

♬ Originalton - michellesdrama
Ihr habt zugestimmt, dass externe Inhalte angezeigt werden. Hier könnt ihr die Auswahl  deaktivieren.

In Videos auf Youtube oder Tiktok präsentieren Menschen, die es angeblich geschafft haben, ihren Reichtum. Sie erzählen, wie sie ganz schnell an ganz viel Geld gekommen sind. Abgebildet sind dann meistens Penthäuser, Cabrios und Geld. Diese Darstellungen suggerieren, man müsse gar keinen normalen Job mehr haben, man könne sogar aus der eigenen Ausbildung aussteigen.

Finger weg vom Network-Marketing

Laut Nicolas Lieven fallen häufig die Menschen auf das Network-Marketing-Versprechen herein, die ohnehin nicht viel Geld hätten. Die große Gefahr: Sie verschulden sich am Ende noch mehr. Der Wirtschaftsjournalist rät, vom Network-Marketing die Finger zu lassen. Statt Reichtum drohten ein großer psychischer Druck und hohe Schulden. Am Ende seien die Menschen verarmt und vereinsamt.

Shownotes
Verlockende Werbeversprechen
Network-Marketing: Ohne Risiko reich werden klappt nicht
vom 27. April 2024
Moderator: 
Christian Schmitt
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist