Die Regierung denkt über einen Test mit kostenlosem Nahverkehr in fünf Städten nach und hat damit eine heftige Diskussion ausgelöst. Wir erklären, wie es mit der Idee weitergeht und dass der Vorschlag kurzfristig überhaupt nicht umgesetzt werden kann.
Die Bundesregierung hat in einem Brief an die EU Ideen vorgelegt, wie sie die Luft in deutschen Großstädten verbessern möchte. Deutschland muss handeln, sonst drohen hohe Strafzahlungen an die EU. Sieben Maßnahmen haben Umweltministerin Barbara Hendricks, Verkehrsminister Christian Schmidt und Kanzleramtschef Peter Altmaier schriftlich der EU vorgeschlagen.
Am meisten bislang diskutiert: Die Idee, kostenlosen Nahverkehr zu testen. Unsere Hauptstadt-Korrespondentin Nadine Lindner hat die Regierungspressekonferenz zu dem Thema besucht und ist ernüchtert.
Denn selbst der Test mit kostenlosem Nahverkehr könnte sich als Luftnummer entpuppen. Denn die Vorschläge der Bundesregierung seien nicht mehr als eine Sammlung von Ideen, die die EU Kommission erstmal bewerten muss. Erst dann könnte eine neue Bundesregierung zusammen mit den Bundesländern und den Städten konkret über den Test für kostenlosen Nahverkehr reden.
Die Idee ist jetzt im Raum und wird auch von den Bus- und Bahngesellschaften diskutiert. Unser Reporter Till Opitz hat sich umgehört, wie realistisch die Idee ist. ….
Das Vorhaben sei kurzfristig unrealistisch, sagen die Bus- und Bahngesellschaften. Und die müssten den Vorschlag eigentlich umsetzen. Das gilt insbesondere für Großstädte und zu bestimmten Zeiten, sagen sie. In der Rush-Hour sei die öffentliche Verkehrsinfrastruktur in den Städten bereits jetzt überlastet.
"Wir sind an der Kapazitätsgrenze in den Großstädten und in den Ballungsräumen vor allem in den Stoßzeiten"
Für den Fall, dass der Nahverkehr gratis wäre, rechnet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mit rund 30 Prozent mehr Fahrgästen. Der Verband ist der Ansicht, das System werde jeweils zu Beginn und zum Ende der Arbeitszeiten zusammenbrechen.
Grundsätzlich ließe sich ein Gratis-Nahverkehr durchaus aus öffentlichen Mitteln finanzieren, meint Till. Dafür bräuchten die Verkehrsbetriebe allerdings jahrelangen Vorlauf für Baumaßnahmen, Erneuerung und Verbesserung der bestehenden Infrastruktur.
Hohe Kosten für den Bund
Grundsätzlich sind die öffentlichen Bus- und Bahnunternehmen offen für Vorschläge aus der Bundespolitik. Sie sagen jedoch, dass im Fall von bundesweit kostenlosem Nahverkehr ein zweistelliger Milliardenbetrag vom Bund bereitgestellt werden müsse.
12 bis 13 Milliarden an Einnahmen durch Ticketverkäufe müssten gegenfinanziert und Milliarden in den Ausbau gesteckt werden - also in neue Bahnen, neue Busse, mehr Strecken, mehr Personal und neue Signale. Auch die laufenden Kosten wären im Ergebnis höher, sagen die Verkehrsbetriebe.
Die Pilotversuche mit kostenlosem Nahverkehr in Deutschland waren nicht besonders vielversprechend. Tatsächlich seien zur Rush-Hour zu viele Menschen gefahren, berichtet Till. Die Kosten für die Städte waren zu hoch. Also wurden die Tickets wieder eingeführt.
Wien als Vorbild
In einer gänzlich anderen Situation - was den öffentlichen Nahverkehr angeht - ist die österreichische Hauptstadt Wien. Bereits vor Jahrzehnten hat die Wiener Stadtverwaltung umgesteuert. Dort sind die Ticketpreise relativ niedrig. Der städtische Nahverkehr hat international einen guten Ruf. Das liegt unter anderem an einer U-Bahn-Steuer, die Gewerbebetriebe und Wohnungseigentümer gleichermaßen bezahlen müssen.
"Wien hat sich entschlossen den öffentlichen Verkehr, auch den Fahrradverkehr, verkehrsplanerisch in den Vordergrund zu stellen."
Mit dieser Steuer erzielt die Stadt Wien jährlich Millioneneinnahmen, die dann in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert werden. Für Deutschland kann sich Till eine solche zusätzliche Steuer eher nicht vorstellen. Dass die Nutzer von Bus und Bahn zwar Tickets kaufen, aber die Preise relativ niedrig sind, das wäre auch in Deutschland möglich.
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