Von der Schweiz des Orients zum Scherbenhaufen imperialistischer und idealistischer Ambitionen – die Geschichte des Libanons, ausgehend vom Schicksalsjahr 1975 betrachtet. Es folgen erst einmal 15 Jahre Bürgerkrieg.
Für Jahrhunderte hatte der Libanon zum Osmanischen Reich gehört. Als Provinz Libanonberg genoss es innerhalb dieses Riesenreichs Autonomie, war aber nie eigenständig. Mit dem Ersten Weltkrieg soll sich das ändern: Die alliierten Kriegsgegner Deutschlands wollen nach einem siegreichen Kriegsende dessen Verbündeten, das Osmanische Reich, zerschlagen.
Araber gegen Osmanen
Sie versprechen der arabischen Unabhängigkeitsbewegung die Gründung eines großarabischen Reichs, falls sie gegen die Osmanen kämpft und den Alliierten zum Sieg verhilft. Gesagt, getan. Die Araber bekämpfen die Osmanen, die Alliierten teilen aber den Nahen und Mittleren Osten anders als versprochen unter sich auf. Sie gründen den Irak, das Königreich Jordanien und den unter französischer Kontrolle stehenden Libanon.
"Die Amerikaner setzen Fuad Shihab als Staatspräsident ein, und der entwickelte den sogenannten Shihabismus. Das war eine Politik, die auf soziale und politische Reformen abzielte."
Der Libanon wird nach einem Beschluss des Völkerbunds französisches Mandatsgebiet und gerät im Zweiten Weltkrieg unter die Hoheit des Vichy-Regimes, das seit dem 10. Juli 1940 im Süden Frankreichs herrscht. Die deutsche Wehrmacht hat das restliche Frankreich besetzt und erhält die Erlaubnis, vom Libanon aus Kampfflugzeuge in den Irak zu verlegen, um von dort gegen englische Truppen zu kämpfen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird der Libanon unabhängig, erlebt eine wirtschaftliche Blüte und erlangt den Ruf, die "Schweiz des Orients" zu sein. Aber der Aufschwung hält nicht lange an: Innenpolitische Probleme, wirtschaftlicher Niedergang und Konflikte zwischen den Religionen führen den Libanon Ende der 1950er-Jahre in eine anhaltende Krise.
"Jeder politische oder militärische Konflikt, wie der libanesischen Bürgerkrieg, ist automatisch auch eine Art konfessioneller Konflikt."
Als wenig später die Organisationen der Palästinenser aus Jordanien vertrieben werden, wird der Libanon Stützpunkt der Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die sich nach und nach zu einem Staat im Staate entwickelt.
Libanon: Ein kaum regierbares Land
Der politische Streit um die richtigen Reformen, die Schwierigkeiten, alle religiösen Strömungen angemessen an den politischen Institutionen des Landes zu beteiligen, sowie die Destabilisierung durch die Anwesenheit der PLO lassen den Libanon am 13. April 1975 in einen Bürgerkrieg rutschen, der das Land bis Mitte Oktober 1990 in Schach halten sollte.
Am Ende ist aus der "Schweiz des Orients" ein zerstörtes, kaum mehr regierbares Land geworden, das sich von Folgen dieses Krieges und den Auseinandersetzungen der Staaten des Nahen und Mittleren Ostens mit Israel bis heute nicht erholt hat.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Beirut, Michael Bauer, beschreibt, wie der Libanon 1975 in den Bürgerkrieg rutschte und welche Folgen das hatte.
- Moritz Behrendt, ARD-Korrespondent in Kairo, erläutert den Nahostkonflikt, in den der Libanon immer verwickelt war und ist.
- Der Libanon-Kenner Martin Durm schildert die aktuelle Lage im Libanon.
- Der Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt auf den Beginn des Konfliktes zwischen dem Libanon und dem Osmanischen Reich zurück.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporter Matthis Jungblut beschreibt das Dilemma des Libanon inmitten der vielschichtigen Probleme des Nahen Ostens.
Info: Unser Bild oben zeigt den Kadaver eines Rindes, das 1976 neben Trümmerbergen am Rande einer Küstenstraße in Beirut liegt.
- Michael Bauer
- Moritz Behrendt
- Martin Durm