Merle ist ein Riesenfan von Harry Styles. Nach seinem letzten Konzert ist sie in ein tiefes Loch gefallen. Auf Tiktok kursiert dafür ein Begriff: Post Concert Depression. Sophie Einwächter hat als Medien- und Kulturwissenschaftlerin zu Fansein und Fankulturen geforscht.
Elf Jahre hat Merle darauf gewartet, Harry Styles endlich live sehen zu können, sagt sie. Die Nacht vor dem Konzert habe sie vor dem Stadium sogar im Zelt geschlafen. Das Konzert sei ein unbeschreibliches Erlebnis gewesen und gehöre zu den besten Zeiten ihres Lebens. Aber das Gefühl, nach dem Konzert beschreibt Merle so: "Leere. Man fällt in ein Loch und ist superlange in so einem Tief."
"Man hat irgendwie die beste Zeit seines Lebens und dann ist es auf einmal vorbei und ist so ein Leere. Man fällt in ein Loch und ist superlange in so einem Tief. Echt kein schönes Gefühl."
Auf Tiktok kursiert dazu der nicht unumstrittene Begriff "Post Concert Depression", er ist nicht medizinisch belegt. Auch Merle hat Inhalte mit dem Hashtag geteilt, weiß aber um die Problematik der Bezeichnung, sagt sie. Keinesfalls möchte sie respektlos gegenüber Menschen sein, die wirklich mit Depressionen zu kämpfen haben.
Gemeinsam traurig auf Tiktok
Die erste Woche nach dem Konzert sei es Merle besonders schlecht gegangen. In dieser Zeit habe sie jede Menge Konzertmitschnitte und Videos auf Social Media konsumiert und sich mit Leuten ausgetauscht, denen es ähnlich ging. Das habe ihr sehr geholfen, sagt sie.
"Die täglichen Konzertvideos und der Austausch vor allem mit anderen Harry-Fans, die genau das Gleiche gefühlt haben, war einfach super wichtig. Das hat so ein bisschen Kraft gegeben."
Ablenkung gefunden habe sie dann aber auch mit Konzerten von anderen Künstlern. Sie sei zum Beispiel ein großer Fan der Gruppe 01099, die sie dieses Jahr schon viele Male live gesehen habe.
"Den größten Teil meiner Zeit war ich eigentlich immer Fan", sagt Merle. Fan zu sein, bedeute für sie dabei mehr als nur die Musik einer Künstlerin oder einer Band zu konsumieren. Weltweit könne man sich mit Leuten verbinden und die Leidenschaft teilen. Das sei schon identitätsstiftend und habe sie unglaublich weitergebracht, vor allem als sie noch ganz jung gewesen sei.
Fandom als wissenschaftlicher Begriff
Sophie Einwächter ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin und hat zum Thema Fansein und Fankulturen geforscht. Sie benutzt dafür gerne den wissenschaftlichen Begriff Fandom, der sich definiert als "die längerfristige, leidenschaftliche Beziehung unter Aufwendungen von Zeit und Geld in einer Beziehung mit einem Fan-Objekt", sagt sie.
"Fandom ist die längerfristige, leidenschaftliche Beziehung unter Aufwendungen von Zeit und Geld in einer Beziehung mit einem Fan-Objekt."
Dass es jemanden nach einem Konzert stark runterziehen könne, habe einen Grund: Es sei das Ende einer intensiven Phase von Zuwendung und Aufwendung, bei der auch die Glückshormone erst mal abfallen würden. Das kommt einer kleinen Trauerphase gleich, sagt Sophie. Typisch sei, dass Fans sich schnell in eine intensive Auseinandersetzung begeben und beispielsweise das gesammelte Video- und Fotomaterial sichten und kreativ verwerten.
Ergänzungsbeziehungen zum Alltag
Aber was gibt es uns eigentlich, Fan zu sein? Sophie spricht hier von Ergänzungsbeziehungen zusätzlich zu unserem Alltag. Das können teils spannendere Interaktion oder spannendere Figuren sein, die einem etwas geben, das man in seinem eigenen Umfeld so nicht hat, sagt sie.
"Ich würde es Ergänzungsbeziehungen nennen, die man zusätzlich führt zu den Interaktionen, die man so in seinem Alltagsleben hat."
Sophie hat die Erfahrung gemacht, dass eigentlich jede Person, etwas benennen kann, wovon er oder sie Fan ist. Wie stark und intensiv jemand sich für etwas begeistern kann, sei aber eine Persönlichkeitsfrage. Auch Zeit und Geld spielen eine Rolle, sagt Sophie.
Fans sind viel mehr als nur Konsumenten
Stars lieben es sicher, vor den eigenen Fans auf der Bühne zu stehen. Doch auch der finanzielle und wirtschaftliche Aspekt in der Beziehung zu ihnen, sei nicht zu unterschätzen, sagt Sophie. Denn Fans seien gleichzeitig wichtige Werbebotschafter. Es gebe sogar Fans, die es innerhalb einer Community selbst zu einer Art Celebrity schaffen können.
"Fans können heutzutage stückchenweise über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes mitentscheiden."
Fans sind heute längst nicht mehr reine Konsumenten. Die Machtverhältnisse ändern sich zunehmend, sagt Sophie. Sie können über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes mitentscheiden, da sie beispielsweise dank Social Media die Möglichkeit haben, offen Kritik an Produkten zu üben. Das wissen auch die Firmen, zum Teil betreiben sie inzwischen eigene Abteilungen für Fan-Relation, so die Expertin.
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- Merle, glühender Harry-Styles-Fan
- Sophie Einwächter, forscht zu Fans und Fankulturen