Weil weder FDP noch BSW die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, reicht es rechnerisch für ein Bündnis aus CDU/CSU und der SPD. Doch die unterstützt den scharfen Migrationskurs der Union nicht. Eine Analyse von Politikwissenschaftler Thorsten Faas.
Im Wahlkampf war der Ton zwischen der Union und der SPD äußerst scharf. Er vertraue Friedrich Merz und der CDU/CSU nicht mehr, weil diese bei einer Abstimmung im Bundestag die Zustimmung der AfD in Kauf nahm, hatte unter anderem der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz gesagt.
Den Bürgerinnen und Bürgern hätten beide Parteien im Wahlkampf zwar "überraschend deutliche Signale" gesendet, sagt Thorsten Faas, Leiter der Arbeitsstelle "Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland" an der FU Berlin. Trotzdem könnten aus diesen ehemaligen Konkurrenten jetzt Regierungspartner werden.
"Man kennt sich – und es ist allen Beteiligten klar, dass so ein Vorwahlzeitraum anderen Logiken folgt als dann die Zeit ab 18 Uhr."
Dass mathematisch – weil Friedrich Merz eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat und weder FDP noch BSW in den Bundestag einziehen werden – praktisch nur diese eine Koalition aus Union und SPD möglich ist, sei hilfreich, so der Politikwissenschaftler. Allerdings sei es äußerst schwierig, das jetzt zu verkaufen und zu präsentieren.
"Man will das nicht unbedingt. Das ist keine Liebesheirat, das werden wir bestimmt ganz oft hören. Aber eben doch eine politische Notwendigkeit."
Die SPD hat zuletzt im Parlament den restriktiven Migrationskurs der Union nicht unterstützt. Ob sie ihn in einer möglichen Koalition entschärfen wird und was das für Folgen haben könnte, ist eine der vielen spannenden Fragen, die sich jetzt stellen, so Faas.
Wie sähe eine schwarz-rote Migrationspolitik aus?
In diversen TV-Formaten habe sich auch Kanzler Scholz dafür gerühmt, die Migrationspolitik verschärft zu haben, mehr abzuschieben und die Grenzen sicherer zu machen. Gleichzeitig habe der Wahlkampf der Linkspartei gezeigt, dass man auch mit einem ganz anderen Kurs Erfolg haben kann: Die Linke habe sich nämlich quasi als einzige Partei sehr klar auch für die positiven Dinge rund um Migration eingesetzt. Gerade im migrationspolitischen Bereich erwartet Faas innerhalb der SPD schwierige Debatten.
Allerdings müsse sich natürlich auch die Union bewegen. Was da in Sachen "Ab Tag eins durchregieren" angekündigt wurde, sei nun nicht mehr realistisch – man werde sich also am Ende auf einen irgendwie gearteten Kompromiss einigen müssen.
"Ich glaube, die Außenpolitik wird etwas sein, wo man schnell zusammenkommt. Wo auch der Druck natürlich sehr, sehr hoch ist durch die neuen Entwicklungen aus den USA."
Auch bei den Themen Schuldenbremse und Steuerpolitik sieht der Experte viele Differenzen zwischen der Union und der SPD, ebenso im gesellschaftspolitischen Bereich. Am einfachsten sei eine gemeinsame Route noch in der Außenpolitik zu erreichen, glaubt Thorsten Faas. Angesichts der Politik Donald Trumps sei es sehr wichtig, sich hier eindeutig zu positionieren und schnell handlungsfähig zu werden.
Die "Metaebene" von Union und SPD
Beide Parteien der ehemals großen Koalition treffen sich "auch auf einer Metaebene", sagt Thorsten Faas. Und das könne vielleicht besser – "etwas reibungsloser, geräuschloser" – klappen, als das bei der Ampel der Fall war, prognostiziert er.
"Früher hat man immer gesagt: Die GroKo ist immer so ein bisschen langweilig. Aber vielleicht ist das jetzt sogar durchaus hilfreich."
Die AfD, die ihre Stimmanteile nahezu verdoppelt hat, wird im nächsten Bundestag Oppositionsführerin sein. Damit gehen traditionell auch bestimmte Rechte und Aufgaben einher, etwa der Vorsitz des Haushaltsausschusses.
Oppositionsführerin AfD
Wie kann eine schwarz-rote Politik aussehen, ohne diese massiv erstarkte Stimme zu ignorieren – und dadurch noch stärker zu machen?
"Das ist, glaube ich schon allen Beteiligten klar, dass die Herausforderungen für die liberale Demokratie nicht nur von außen kommen, sondern auch ein Stück weit im Parlament sitzen."
Bekommt die AfD auch einen Vizepräsidenten? Wie geht man mit der Partei im Parlament um? Bei mehr als 20 Prozent der Sitze verschärfen sich all diese Fragen, sagt Thorsten Faas – und spricht von einer "großen Herausforderung".