Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen wird für seine Äußerung über die Echtheit des Videos, das die Verfolgung eines Migranten durch Rechtsradikale in Chemnitz zeigt, heftig kritisiert. Der ARD-Experte für Innere Sicherheit sagt, damit mache sich Maaßen zum Kronzeugen der AfD.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz hat in einem Interview mit der Bild-Zeitung angezweifelt, dass das Video, das Rechtsextreme bei der Verfolgung eines Migranten in Chemnitz zeigt, echt sei. Hans-Georg Maaßen behauptet, dass es sich um "gezielte Falschinformation" handele. Es lägen keine belastbaren Informationen darüber vor, dass "Hetzjagden" stattgefunden hätten.
"Maaßen hat den Eindruck erweckt, als könnte es sich um eine Fake-News-Video handeln, und weiß offenbar nicht, dass es keine Zweifel an der Echtheit gibt."
In dem Video ist zu sehen, wie ein junger Migrant während der Demonstration in Chemnitz von Rechtsextremen angegriffen wird. Der Mann versucht zu flüchten und wird von den rechtsradikalen Angreifern verfolgt. Hans-Georg Maaßen habe durch seine Aussagen den Eindruck erweckt, als könnte es sich bei dem Video um Fake-News handeln, stellt der ARD-Experte für Innere Sicherheit, Michael Götschenberg, fest. Für seine Behauptung hat der Verfassungsschutz-Chef bislang keine Belege geliefert.
Der Angegriffene hat bei der Polizei in Chemnitz inzwischen Anzeige erstattet. Es handelt sich um einen 22-jährigen Afghanen. "Für mich gibt es gar keinen Zweifel, dass es sich genauso zugetragen hat", sagt Michael Götschenberg.
Maaßen schlecht informiert?
Offenbar hat Hans-Georg Maaßen über den Vorfall nicht Bescheid gewusst, stellt Michael Götschenberg fest. Aus juristischer Sicht komme der Verfassungsschutz-Chef zu dem Ergebnis, dass es die "Hetzjagden" in dem Umfang nicht gegeben habe, weil es keine Strafanzeigen gebe, die darauf hindeuten. "Aber nun gerade dieses Video als Beweis dafür zu nehmen und die Echtheit zu bezweifeln, ist der falsche Weg", sagt Michael Götschenberg.
Opposition fordert Rücktritt Maaßens
Die Reaktionen auf seine Äußerungen seien größtenteils negativ. Die Opposition und einige SPD-Politiker forderten Maaßens Rücktritt. Dass der Chef des Verfassungsschutzes nur über die Authentizität des Videos spekuliere und mit keinem Wort auf die rassistischen Übergriffe, die Gewalt gegen Migranten und Journalisten, die rechtsradikalen Parolen, den Hitlergruß eingegangen ist, wird von vielen Seiten kritisiert.
"Er hat sich mit dieser Aussage zum Kronzeugen der AfD gemacht, die jetzt sagen kann: 'Wenn schon der Geheimdienstchef sagt, es hat keine Hetzjagden gegeben, dann sind offenbar alle auf dem falschen Dampfer inklusive der Bundesregierung'."
Die beiden Journalisten Lars Wienand und Patrick Gensing haben das Video auf seine Authentizität geprüft und kommen zu dem Schluss, dass es tatsächlich die Szene zeigt, in der der Migrant in Chemnitz am 26. August von Rechtsradikalen verfolgt wird.
Lars Wienand ordnet mit Hilfe weiterer Videos und Indizien das Video ein. Der Journalist kommt zu dem Ergebnis, dass das Video echt ist. Es hätte nur mit allergrößtem Aufwand gefälscht werden können.
Die Vorwürfe, Hans-Georg Maaßen würde möglicherweise der AfD nahe stehen, seien haltlos, sagt Michael Götschenberg. Auch wenn sich Hans-Georg Maaßen - wie Franziska Schreiber in ihrem Buch und auch gegenüber Deutschlandfunk Nova behauptet - mit Frauke Petry getroffen hat, sei das für sein Amt vollkommen üblich und deute nicht auf eine Nähe zu der Partei hin.
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