Jaimée wollte lange Zeit alles perfekt machen. Vor allem in den letzten Monaten hat sie gelernt, dass es guttun kann, Fehler zuzulassen. Das sieht auch die Psychologin Elisabeth Prestele so, die sich intensiv mit dem Thema Perfektionismus beschäftigt hat.
Es gibt Dinge, die möchte Jaimée so perfekt wie möglich machen: Vor allem, wenn dabei andere Leute involviert sind, bei Uni- oder privaten Projekten, die ihr viel bedeuten, sagt sie. Dabei habe sie stets einen detaillierten Plan. Doch Jaimée weiß auch: "Der Plan ist meistens unrealistisch, weil all das Perfekte einfach unrealistisch ist".
"Der Plan ist meistens unrealistisch, weil das Perfekte einfach unrealistisch ist."
Wenn die Dinge dann trotzdem nicht so klappen wie gewünscht, dann macht sie das unglücklich und wirkt sich negativ auf ihren Selbstwert aus, sagt sie. Doch Jaimée arbeitet daran, die eigenen Ansprüche etwas herunterzuschrauben und nachlässiger mit sich zu werden. Hierbei habe sie schon große Fortschritte gemacht. Sehr geholfen habe ihr dabei die Unterstützung und das positive Feedback aus ihrem sozialen Umfeld.
Perspektivwechsel kann helfen
Fehler bei anderen Menschen könne sie deutlich besser aktzeptieren als bei sich. Deswegen helfe ihr häufig auch ein Perspektivwechsel: "Darum schaue ich darauf, wie es wäre, wenn jemand anderes dieses Projekt abgeben würde. Und dann frage ich mich, warum ich nicht zu mir selbst so nett sein kann", erzählt sie.
"Nur weil es von Anfang an nicht perfekt läuft, heißt es nicht, dass es nicht gut werden kann."
Dass Dinge gut werden können, auch wenn es nicht auf Anhieb perfekt läuft, hat Jaimée auch bei der Erziehung ihres acht Monate alten Dackels gelernt, erzählt sie: "Ich glaube, das war so ein Real Life Projekt, bei dem ich richtig gemerkt habe: Es lohnt sich nicht immer, perfekt zu sein, aber es lohnt sich, dranzubleiben."
Hoher Anspruch an das eigene Ideal
Perfektionisten hätten einen besonders hohen Anspruch an das eigene Ideal, in Fachkreisen auch Ideal-Selbst bezeichnet, erklärt die Psychologin Elisabeth Prestele. Komme es entgegen der eigenen Vorstellung zu Fehlern, könne sich das Gefühl einstellen, dem eigenen Anspruch nicht gerecht zu werden.
"Stelle ich dann fest, ich habe einen Fehler gemacht, dann merke ich, jetzt bin ich mal wieder meinem Ideal-Selbst nicht gerecht geworden."
Woher aber kommt der Drang zum Perfektionismus? Das kann verschiedene Ursachen haben, sagt Elisabeth Prestele. Zum Teil könne die genetische Veranlagung eine Rolle spielen, aber auch die Erziehung oder das soziale und familiäre Umfeld.
Unterschiedliche Typen von Perfektionisten
Dabei gehe es nicht nur um Familien, in denen ein besonderer Erwartungsdruck herrsche und Erfolg großgeschrieben werde, auch das Gegenteil kann der Fall sein: "Ich schaffe mir quasi dieses Streben nach Perfektion, um meine Umwelt kontrollierbar zu machen – und das sind dann durchaus nicht die besten Elternhäuser", sagt die Psychologin.
"Es gibt Perfektionisten, die das enge soziale Umfeld in ihr Perfektionismus-Bestreben einbeziehen und sagen: 'Nein, die dürfen auch keine Fehler mehr machen.'"
Beim Perfektionismus gebe es verschiedene Typen: Manche seien nur auf sich selbst und die eigenen Fehler fokussiert. Andere würden auch ihr enges soziales Umfeld in ihr Perfektionismus-Bestreben einbeziehen. Diese dürfen dann auch keine Fehler mehr machen. "Das sind meine Freunde, die sind auch perfekt", erläutert die Psychologin.
In unserer Gesellschaft werde das Streben nach sehr guten Leistungen hoch anerkannt. In einem Bewerbungsgespräch werde Perfektionismus eher selten als Fehler gewertet. "Tatsächlich ist es so, dass es uns aufhält", sagt Elisabeth Prestele. Perfektionisten bräuchten oft länger für die Erledigung von Aufgaben und auch in zwischenmenschlichen Beziehungen könne das Bestreben zu Problemen führen.
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- Jaimée möchte weniger perfektionistisch sein
- Psychologin Elisabeth Prestele beschäftigt sich mit Perfektionismus