Vanessa ist Architektin. Mit Ende zwanzig merkt sie aber, dass ihr Beruf sie nicht erfüllt. "Jetzt oder nie" denkt sie und eröffnet eine vegane Konditorei. Mit solchen Neuanfängen kennt sich Martin Krengel aus: Er hat ein Buch zum Thema Motivation und Ziele geschrieben.
Nach der Schule beschließt Vanessa eher per Zufall, Architektur zu studieren. Obwohl das Studium hart ist, bleibt sie dabei und schließt es erfolgreich ab. Auch anschließend in der Arbeitswelt findet sie sich gut zurecht – doch ihre Leidenschaft war die Architektur nie, sagt sie heute.
Wenn das Hobby zur Leidenschaft wird
Später soll es auch wieder der Zufall sein, der ihr Leben ändert: Durch eine Laune entdeckt sie das Backen für sich. Erst probiert sie sich an einfachen veganen Backexperimenten. Doch schnell nimmt sie sich größere Herausforderungen vor – 2014 war es immerhin noch gar nicht so leicht, an vegane Alternativen zu kommen. Schließlich ist jedes Wochenende reserviert, um sich an vegane Macarons, Buttercremetorten und Cupcakes zu wagen.
"Architektur war für mich auch immer etwas mit Leid verbunden. Das war letzten Endes für mich der Antrieb das Backen zu professionalisieren."
Das Hobby wird zur Leidenschaft und Vanessa informiert sich parallel zu ihrem Arbeitsalltag darüber, was es brauchen würde, um Torten verkaufen zu dürfen. In Deutschland ist das gar nicht so leicht, denn es gibt viele Regularien. Der Beruf der Konditorin oder des Konditors ist geschützt und wer ihn ergreifen möchte, muss sich ausbilden lassen. In Vanessas Fall war es durch eine Ausnahmebewilligung möglich, durch Prüfungen den Meisterbrief zu erlangen – Heute ist sie Konditorin für vegane Buttercremetorten und Cupcakes.
Schlechte Startbedingungen
Nachdem sie ihre Prüfungen bestanden hat, mietet sich Vanessa ein Atelier an – und prompt zerschlägt die Corona-Pandemie ihre Pläne, Workshops zu veranstalten und für Hochzeiten vegane Torten anzubieten. Das erschwert ihren Start in die Konditorei erheblich und sie überlegt, das Atelier wieder aufzugeben. Doch sie entscheidet sich dagegen und bleibt dabei. Ihre Familie unterstützt sie seit der schwierigen Anfangszeit bis heute. Vanessa ist sich sicher: Wer so einen Neuanfang wagt, braucht Unterstützung – denn es wird viele Herausforderungen und stressige Zeiten geben.
"Ich glaube die Architektur gehört trotzdem zu meinem Weg dazu. Sie hat mich geformt und mir beigebracht, Hürden zu überwinden."
Mit ihrer Konditorei Life is better with buttercream ist Vanessa auch auch Social Media aktiv. Doch sie hat in den vergangenen Jahren gelernt, sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen und stattdessen lieber bei sich zu bleiben. Denn jeder hat seinen eigenen Weg.
Zeitfenster spielt eine gewisse Rolle
Martin Krengel ist Psychologe und Autor. Er sagt: Tatsächlich gibt es verschiedene Zeitfenster, in denen Neuanfänge wahrscheinlicher sind und besser funktionieren als bei anderen. Im Leistungssport gehen die Zeitfenster irgendwann zu und eine Karriere wird sehr unwahrscheinlich, wenn wir erst sehr spät mit einem Sport anfangen. Bei anderen Neuanfängen sind wir aber zum Glück relativ flexibel, sagt der Psychologe.
"Ich kann mich auch mit 60 selbstständig machen und mit 80 eine Programmiersprache lernen."
Martin Krengel rät dazu, sich nicht von Standard-Konventionen einengen zu lassen. Gleichzeitig warnt er davor, einfach jedem Bauchgefühl nachzugehen und sich von Sprüchen leiten zu lassen, wie etwa "Du kannst alles erreichen, wenn du nur stark genug daran glaubst." Wir sollten auf Nummer sicher gehen. Dafür können wir zwei Dinge tun:
- Das Projekt im Kleinen testen. Anstatt gleich den Job zu kündigen, sollten wir unsere neue Idee erst im Kleinen ausprobieren. Martin Krengel hat beispielsweise einen Schauspielkurs in Los Angeles besucht, einen Stand-up-Comedy-Workshop und einen Kunstkurs. Jedes Mal hat er relativ schnell gemerkt: Das ist doch anders, als er es sich vorgestellt hat. Wir sollten uns also nicht nur von unseren Vorstellungen und Erwartungen leiten lassen, sondern auch in die Praxis gehen.
- Sowohl als auch statt entweder oder. Oft denken wir fälschlicherweise, wir können uns nur für eine Sache entscheiden, wenn wir uns gegen eine andere entscheiden. Zum Beispiel: Sicherheit oder Abenteuer. Der Experte rät eher dazu, sich bewusst zu machen und nach Wegen zu suchen, wie beides möglich sein kann. Also etwa drei Tagen in der Woche einem Job nachzugehen, der uns genug Geld sichert, damit wir an den anderen Tagen das tun können, was uns tatsächlich erfüllt.
"Es ist gut, ein Standbein zu haben, das uns stabilisiert und ein Nebenprojekt, das wir schrittweise aufbauen, bis es sich von selbst trägt – dann wird unser Nebenprojekt zum Standbein."
Projekte können groß sein und uns einschüchtern. Martin Krengel rät dazu, in kleinen Schritten zu planen. Er selbst war auf Weltreise und hatte zu Anfang nur einen Hinflug gebucht. Alles Weitere hat er auf der Reise selbst weitergeplant, weil er dann auch wusste, wie viel Geld er wirklich zur Verfügung hat.
"Wenn dann mache ich es richtig" – das hört Martin Krengel oft. Doch er glaubt: Solche Ansätze lähmen uns eher als dass sie uns motivieren. Er findet, wir sollten lieber unseren eigenen Impulsen vertrauen.
Was Architektur und Konditorei gemeinsam haben und wie wir uns von anderen bei unseren Projekten nicht einschüchtern lassen hört ihr in der Ab 21.
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- Vanessa: Von der Architektin zur veganen Konditorin
- Martin Krengel: Der Motivationspsychologe gibt Tipps, wie der Neuanfang gelingen kann