Im Musikbusiness sind Frauen und Männer noch lange nicht gleichgestellt. Frauen sind unterrepräsentiert in Charts, bei Festivals, bekommen oft schlechtere Slots – und verdienen im Durchschnitt weniger. Deutschlandfunk Nova widmet sich deswegen einen Tag lang den Frauen in der Musikbranche. Unter anderem sprechen wir mit Linn Meissner vom Verband Musik Women Germany.

Egal, ob man sich Festival-Line-ups, Playlists oder Bands anschaut – in den meisten Fällen herrscht ein großes Ungleichgewicht: Frauen sind gegenüber Männern deutlich unterrepräsentiert.

Das belegt auch eine große Studie aus den USA, die die Entwicklung des Frauenanteils im Musikbusiness von 2012 bis 2022 untersucht hat. Das Ergebnis: Der Frauenanteil in den amerikanischen Charts ist mit 30 Prozent der höchste in den vergangenen zehn Jahren. Bedeutet aber auch: 70 Prozent sind männliche Künstler.

Nur 4 Prozent Producerinnen

Bei den Songwriter*innen und Produzent*innen hat sich in dem Zeitraum hingegen kaum etwas verändert: Demnach lag 2022 der Frauenanteil bei den Songwriter*innen bei rund 14 Prozent. Und bei den Producer*innen sah es noch dünner aus: Dort lag der Frauenanteil bei nur 4 Prozent.

"Amerika steht im Vergleich zu Deutschland noch ziemlich gut da. In den deutschen Charts ist der Frauenanteil sogar zurückgegangen."
Krissy Mokenhaupt, Moderatorin

Die Zahlen stammen jedoch aus den USA. Im Vergleich dazu steht Deutschland ziemlich schlecht da: In den deutschen Charts hat der Anteil an Frauen zuletzt sogar abgenommen: Während im Jahr 2012 noch 13 Prozent der Künstler*innen weiblich war, waren es 2019 nur noch 8 Prozent.

Frauen haben nicht die gleichen Chancen

Linn Meissner arbeitet ehrenamtlich für Musik Women Germany, ein Verband, der sich dafür einsetzt, dass es in der Musikbranche mehr Gleichstellung zwischen allen Geschlechtern gibt. Sie sagt, die Gründe für das Ungleichgewicht seien bekannt und gut untersucht. Im Jahr 2022 sei etwa eine Befragung dazu beim Reeperbahnfestival vorgestellt worden: "Da sind solche Faktoren zu nennen, wie Stereotypisierung, geschlechtsspezifische Erfahrungen – also Diskriminierung, blöde Sprüche, die man bekommt, nicht gehört zu werden. Und dann eben Vetternwirtschaft, die verhindert, dass Frauen auf diesem Weg empowert werden und da auch bestimmte Berufschancen überhaupt erst ergreifen können."

Linn betont, dass insbesondere der Gender-Pay-Gap in der Musikbranche zeige, dass hier das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen besonders krass ausfalle. "Wenn man schaut, dass der durchschnittliche Gender-Pay-Gap 19 Prozent sind – im Musikbereich liegen wir bei über 25 Prozent", sagt sie.

"Was wir gesehen haben, ist, dass Quoten funktionieren."
Linn Meissner, Music Women Germany

Linn Meissner sieht aber auch Erfolge. Zum Beispiel haben mehr als 500 Festivals und Institutionen den sogenannten Keychange Pledge unterzeichnet und verpflichten sich demnach im Line-up auf eine 50/50-Verteilung zu achten. "Der hat schon Früchte getragen, insofern, dass sich die Anzahl von Frauen und FLINTA-Acts auf Festivals in den letzten Jahren verbessert hat. Zumindest bei den kleinen und mittleren Festivals", sagt sie.

Datenbank für Frauen im Musikbusiness

Der Verband Music Women Germany setzt sich zum Beispiel auch dafür ein, dass Frauen in der Musikbranche sichtbarer werden. So haben die Initiatorinnen eine große Datenbank angelegt, in die sich alle Personen, die in der Musikbranche arbeiten eintragen können – Musikerinnen, Dirigentinnen, Produzentinnen, Bookerinnen oder Tontechnikerinnen. "Um diesem Argument entgegenzuwirken: 'Wir hätten ja gerne eine Frau gefragt, aber wir kennen ja keine' oder 'wir finden ja keine'", sagt Linn.

Shownotes
Gesellschaft
Frauen in der Musikbranche sind stark benachteiligt
vom 09. Mai 2024