Social Distancing, Corona-Frisur, Maskenmuffel: Vor etwas mehr als einem Jahr hätten uns diese Begriffe nichts gesagt, inzwischen aber weiß jeder, was damit gemeint ist. Die Pandemie hat unsere Sprache blitzschnell verändert, über 1000 Wörter sind neu dazugekommen. Wir haben mit dem Kommunikationsexperten Murtaza Akbar darüber gesprochen, warum es so wichtig ist, darauf zu achten, wie wir Sachen benennen.
Murtaza Akbar ist Dozent für Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt. Er sagt, er kann den Begriff "Lockdown" nicht mehr hören oder auch "Querdenker" und "Superspreader". Früher wurden in Stellenanzeigen manchmal nach Querdenkern oder Querdenkerinnen gesucht, erinnert er sich. Damals war dieser Begriff noch positiv besetzt und meinte einfach nur Personen, die anders an eine Sache herangehen. Mit Corona hat sich die Bedeutung aber verändert: "Das ist jetzt komplett negativ besetzt und hat sich natürlich auch entwickelt während Corona. Heute ist, glaube ich, 'Impfneid' oder 'Impfdrängler' auch nicht wirklich schön", sagt Murtaza Akbar.
"'Lockdown' ist etwas, was ich nicht mehr hören kann. Und natürlich auch Sachen, die sehr negativ besetzt sind, wie 'Querdenker' oder 'Superspreader'."
Der Kommunikationswissenschaftler sagt: Dadurch, dass die Pandemie gefühlt über Nacht kam, hatten wir kein Vokabular parat, um das, was passiert, wirklich gut und klar zu benennen. "Das heißt, dass wir bis heute sehr schwammig formulieren." Ein häufig verwendeter Begriff etwa ist "Maßnahmen". Aber der bedeute für jedes Bundesland und zu jeder Uhrzeit etwas anderes. Auch "Shutdown" oder "Lockdown" sei nicht besonders klar. "Also ich glaube, die meisten Länder und die meisten Sprachen haben da keinen so guten Job gemacht", sagt er.
Falsche Begriffe verstärken Angst
Murtaza Akbar findet, dass viele Begriffe Angst und Sorgen verstärken, auch deswegen, weil wir sie nicht korrekt verwenden. Ein Beispiel sei 'Lockdown': "Es gab in Deutschland gar keinen Lockdown, sondern einen Shutdown", sagt Akbar, "Lockdown bedeutet eine komplette Ausgangssperre. Wir dürfen gar nicht mehr aus dem Haus." Der Begriff sorge aber trotzdem für negative Gefühle in einer ohnehin schwierigen Situation.
"Das ist eine echte Krise der gesamten Gesellschaft aufgrund einer Pandemie. Da ist die Sprache natürlich auch nicht immer so wohlwollend, sondern klar auch negativer."
Der Kommunikationsexperte versteht sich als Sprachoptimist, für ihn ist das Glas eher halbvoll als halbleer. Allerdings sieht auch er die Tendenz, dass unsere Sprache negativer geworden ist. "Die Sprache ist natürlich Ausdruck der Gesellschaft und gesellschaftlichen Lage", sagt er.
Murtaza Akbar findet allerdings gut, dass in Deutschland die Pandemie nie mit einem Krieg gleichgesetzt wurde, so wie das etwa in Frankreich oder in den USA geschehen sei. "Die Politik hat in Deutschland schon besser kommuniziert er als in anderen Ländern", so Akbar, den Krieg gegen das Virus habe es bei uns nicht gegeben.
Er hofft, dass unser Leben - und damit auch die Sprache - demnächst wieder etwas lockerer und leichter werden, dass wir in absehbarer Zeit über "Corona-Frisur" nur noch lachen werden. Aber er ist sich auch sicher, dass einige Begriffe bleiben werden. Während "Maske" ein Begriff war, den Akbar vorher vor allem mit Karneval und Kostüm verbunden hat, glaubt er, dass zum Beispiel die "Alltagsmaske" ein Begriff sein wird, der bleibt.
"Maske habe ich früher mit Fastnacht und Karneval verbunden. Jetzt redet man von einer Alltagsmaske. Also ich glaube, das werden nicht viele Begriffe sein. Aber es werden einige bleiben."