Wer kennt das nicht: Bestimmte Sachen schieben wir einfach ewig vor uns her – meistens so lange, bis wir sie dann wirklich zwingend erledigen müssen. Oder aber sie passieren einfach nie. Was passiert dabei eigentlich in unserem Gehirn? Warum fällt uns aufschieben so viel leichter, als Dinge direkt zu erledigen?
Einmal im Jahr nimmt sich der "Heimwerkerking" Fynn Kliemann einen Tag Zeit, um all die nervigen Aufgaben zu erledigen, die er das ganze Jahr vor sich hergeschoben hat: den Müll aus dem Garten entsorgen, die Garage aufräumen, die wackelige Duschkabine reparieren, den Desktop von Datenmüll befreien, endlich mal die Mail von der Großtante beantworten. Ganz schön viel, was sich so ansammelt. Am "Mach deinen Scheiß"-Tag sollen sie endlich erledigt werden.
"Ein Gehirn ist erstmal an der Gegenwart interessiert."
Ein Gehirn ist erstmal an der Gegenwart interessiert, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Wenn sich Menschen vorstellen, wie sie in Zukunft sind oder wie die Zukunft ist, dann werde das im Gehirn in Arealen verarbeitet, die eigentlich für fremde Personen zuständig sind.
Die Zukunft ist uninteressant(er)
Deshalb denkt das Gehirn: Warum soll ich mich für eine fremde Person ins Zeug legen? Alles, was weiter in der Zukunft liege, sei dementsprechend uninteressanter als die Gegenwart und löse daher auch keinen unmittelbaren Handlungsimpuls aus. Deshalb entschieden sich viele Leute eher dafür, auf dem Sofa zu chillen als ins Fitnessstudio zu gehen.
Aber es kann ja durchaus sinnvoll sein, Sachen auch mal anzugehen und zu erledigen. Sonst steigt der Stapel auf dem eigenen Schreibtisch ins Unermessliche und wird irgendwann zu einer Gefahr. Bei Typen, die solche Stapel anhäufen, brauche es in der Regel ein Signal, um tatsächlich etwas an diesem Zustand zu verändern, sagt Henning Beck.
"Das Gehirn gleicht immer das ab, was es gerne hätte, mit dem, wie es ist."
Das Grundmodell, mit dem unser Gehirn die Wirklichkeit konstruiere, sei ein Abgleich: Es vergleiche immer das, was es gerne hätte, mit dem, wie es ist, erklärt der Neurowissenschaftler. Erst, wenn sozusagen der Leidensdruck groß genug sei – wenn sich also die Wirklichkeit von unserem Modell (eines aufgeräumten Schreibtisches) maximal entfernt – passiere etwas und wir kämen in die Gänge. Dieser Schwellenwert sei bei einigen Menschen höher als bei anderen.
Leidensdruck muss groß genug sein
Dinge geplant und regelmäßig zu erledigen – sich also etwa ein festes Datum dafür zu setzen – kann durchaus helfen, sagt Henning Beck. Denn je konkreter und messbarer Aktionen sind, desto besser könne unser Gehirn ein Vergleichsmodell aufbauen.
Einfach nur "irgendwann mal wieder alles aufräumen" sei zum Beispiel viel anonymer und leichter zu verdrängen als "Blumen gießen und Papierkorb leeren jeden Montagabend". Im letzten Fall sei es für unser Verhalten sehr viel einfacher, darauf eine neue Gewohnheit aufzubauen.
Neue Gewohnheiten aufbauen
Je häufiger und regelmäßiger man die selbstverordnete Disziplin befolge – auch wenn es nur Kleinigkeiten sind – desto besser lerne das Gehirn. Irgendwann müsse man gar nicht mehr nachdenken.
"Du musst nicht viel machen. Eine Kleinigkeit genügt. Hauptsache, sie ist messbar."
Der Effekt der Präkrastination – Dinge sofort erledigen, die man eigentlich später machen wollte – könne nur dann einsetzen, wenn man einmal in die Gänge gekommen ist.