Auf Lesbos gibt es inzwischen ein erstes Übergangslager für die Menschen aus dem abgebrannten Lager in Moria. Trotzdem leben weiterhin Zehntausende von ihnen auf der Straße. Ihre Ausreise lehnt die griechische Regierung ab.
Nach dem Brand des Flüchtlingslagers Moria auf Lesbos harren weiterhin mehr als zehntausend geflüchtete Menschen auf den Straßen der Insel aus. Sie haben mittlerweile die sechste Nacht in Folge unter freiem Himmel verbracht oder in notdürftig aus Decken und Schilfstangen zusammengebauten Zelten.
Auf einem etwa zwei Kilometer langen Abschnitt einer Landstraße wartet der Großteil der über zehntausend Menschen auf Hilfe.
Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln
Inzwischen verteilen die griechischen Behörden und Hilfsorganisation Wasser und Lebensmittel an sie. Eine Toilette gibt es keine. Generell sind Hygieneartikel gerade ein großes Problem, berichtet ARD-Korrespondent Thomas Bormann aus Griechenland.
Den Abschnitt, in dem sich die geflüchteten Menschen aufhalten, hat die griechische Polizei abgesperrt. Jegliche Infrastruktur ist dort lahmgelegt: Geschäfte, Tankstellen und auch der größte Supermarkt der Insel sind geschlossen. Stattdessen ist der Straßenabschnitt zu einem riesigen, wilden Flüchtlingslager geworden, sagt der Korrespondent. Betreten darf diesen Bereich niemand von außerhalb.
"Die Polizei hat das Gelände rund um das abgebrannte Lager Moria plus diese zwei Kilometer Landstraße komplett abgesperrt."
Ein paar Hundert der geflüchteten Menschen, besonders Familien mit Kindern, sind in den vergangen Tagen in einem provisorischen Zeltlager untergekommen. Vorher haben die griechischen Behörden sie auf das neuartige Coronavirus getestet. Bisher war der Test bei etwa einem Dutzend von ihnen positiv. Sie werden in einem separaten Bereich des provisorischen Lagers betreut.
Im anderen Teil von Lesbos geht der Alltag der Inselbewohnerinnen und -bewohner hingegen wie üblich weiter: Die Cafés haben geöffnet, die Menschen liegen am Strand. Der Konflikt auf der Insel ist allerdings überall spürbar, so Thomas Bormann. Denn: Nach dem Brand sind viele der Einwohner von Lesbos gegen den Bau eines neuen Flüchtlingslagers. Moria habe den Ruf der Insel als Urlaubsziel ruiniert, die Touristen bleiben aus und damit auch ihre Arbeit, argumentieren sie.
Einige blockieren daher weiterhin Straßen, um zum Beispiel Hilfsorganisationen die Versorgung der geflüchteten Menschen zu erschweren. "Sie vertreten oft die These: Je mehr Hilfsorganisation helfen, desto mehr Flüchtlinge werden auch kommen", erklärt der Korrespondent.
Streit um ein neues Lager
Auch einige der geflüchteten Menschen wehren sich gegen den Bau eines neuen Lagers und rufen zum Streik auf. Sie fordern die Ausreise. Das wiederum führt zum Streit mit anderen Geflüchteten, die auf die Aufnahme in ein anderes Flüchtlingslager hoffen, berichtet Thomas Bormann. Die Stimmung unter ihnen sei dementsprechend mies und angespannt.
"Die Flüchtlinge sind weitgehend auf sich selbst gestellt."
Währenddessen plant die griechische Regierung die über zehntausend Geflüchteten, vorerst in weiteren provisorischen Lagern unterzubringen, bis der Bau eines neuen großen Lagers auf Lesbos abgeschlossen sei.
Griechische Regierung: Keine Ausreise
Die griechische Regierung ist dagegen, die Menschen auf das griechische Festland oder in andere EU-Staaten zu verlegen oder ausreisen zu lassen. Denn: "Alle Minister der griechischen Regierung sind überzeugt, das Feuer in Moria wurde von Flüchtlingen gelegt. Sie sagen: Das dürfen wir nicht belohnen und die Geflüchteten deshalb auch noch ausreisen lassen", so der Korrespondent.