Was ermöglicht und begünstigt Sklaverei? Darüber muss man sich Gedanken machen, wenn man sie wirksam bekämpfen will. In den arabischen Golfstaaten ist es das Bürgschaftssystem Kafala, erklärt die Islamwissenschaftlerin Sabine Damir-Geilsdorf im Vortrag. In Deutschland ist es unter anderem das liberale Prostitutionsgesetz, kritisiert Dietmar Roller von der Menschenrechtsorganisation International Justice Mission.
"Guten Tag! Es ist eine neue äthiopische Dienerin abzugeben. Sie kam vor zwei Tagen an, und ich möchte sie verkaufen." Das ist kein historischer Text, sondern - kaum zu glauben - eine zeitgenössische Facebook-Anzeige. Gepostet wurde sie in den arabischen Golfstaaten, wo die Islamwissenschaftlerin Sabine Damir-Geilsdorf moderne Sklaverei erforscht hat.
Arabische Golfstaaten: Kafala-System ermöglicht moderne Sklaverei
In ihrem Vortrag erklärt sie das System, das Sklaverei dort ermöglicht, die Kafala: Ein einheimischer sogenannter Sponsor bürgt dabei für einen ausländischen Arbeitnehmer. Der gerät dadurch in eine große Abhängigkeit. Sabine Damir-Geilsdorf beschreibt, warum das so ist und schildert die Arbeits- und Lebensbedingungen der quasi-versklavten Arbeiter dort.
"Die Arbeitnehmer sind durch das Kafala-System sehr eng an ihren Bürgen oder Kafil gebunden, der weitreichende Kontrolle hat über sie."
Moderne Sklaverei gibt es aber nicht nur in den arabischen Golfstaaten. Auch in Europa gibt es sie. Laut dem Global Slavery Index sollen allein in Deutschland 167.000 Menschen unter sklavereiähnlichen Bedingungen leben.
"Es gibt kein Land mehr, wo Sklaverei heute legitimiert wird. Und trotzdem gibt es eine gewisse Straflosigkeit, weil Arme keinen Zugang zum Rechtssystem haben."
Im Interview berichtet Dietmar Roller, Vorstand der Nichtregierungsorganisation International Justice Mission, wie das europäische Gesicht der Sklaverei aussieht. Vor allem Zwangsprostitution sei hierzulande ein Problem. Schuld daran: das liberale Prostitutionsgesetz, glaubt Roller: "Deutschland ist das Bordell Europas."
Moderne Sklaverei in Europa: Zwangsprostitution und Zwangsbetteln
Und ein zweites wichtiges Phänomen beschreibt er: Zwangsbetteln. Im Interview schildert er nicht nur aus eigener Anschauung die furchtbare Situation dieser modernen Sklaven, sondern stellt auch Forderungen auf, was sich ändern muss, um das Problem zu bekämpfen.
"In Deutschland ist das Thema Moderne Sklaverei und Menschenhandel noch nicht im Mainstream angekommen. Wir müssen als Gesellschaft auch anfangen, das Thema neu ernst zu nehmen."
"Formen neuer Sklaverei - Kafala, Schuldknechtschaft und Human Trafficking in den arabischen Golfstaaten" heißt der Vortrag von Sabine Damir-Geilsdorf, der am 17. November 2018 im Rahmen des Symposiums "Die Wiederkehr der Sklaven" aufgezeichnet wurde. Veranstaltet wurde das Symposium von der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz in Kooperation mit der Universität Hamburg. Das Interview mit Dietmar Roller wurde im März 2019 aufgezeichnet.
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