Wer secondhand shoppt, lässt sich möglicherweise dazu verführen, mehr Teile zu kaufen als er oder sie benötigt. Das ist nicht nachhaltig, sagt der Mode-Marketing-Experte Jochen Strähle.
Der Plan war, eine rostbraune Retro-Cordhose im Secondhand-Shop zu ergattern. Aber dann findet man hier eine coole Bluse mit Pfauenmuster aus den Siebzigerjahren. Und da hängt ein Jackett mit fetten Schulterpolstern aus den Achtzigern. Das muss auch mit, denn Schulterpolster sind ja gerade wieder angesagt.
Statt der einen Hose liegen dann plötzlich sechs Teile oder mehr im Einkaufskorb. Weil alles so günstig ist, kann man ja ruhig alles mitnehmen, was gefällt, und redet sich das Ganze dann vielleicht schön.
"Es gilt die Regel: Kein 'Second Hand' ohne 'First Hand' und zum Schluss wird mehr konsumiert als vorher und das ist bestimmt nicht nachhaltig."
Das, was wir als Secondhand einkaufen, ist aber mal First Hand gewesen. Und wenn wir, statt nur ein kaputtes Kleidungsstück zu ersetzen, viele Klamotten kaufen, die wir sonst nicht erworben hätten, dann sorgen wir im Prinzip indirekt dafür, dass weiterhin viel produziert wird, so der Mode-Marketing-Experte.
"Statt eins-zu-eins zu tauschen, kaufe ich jetzt drei Kleidungsstücke oder vier, wo ich ja vorher nur eins hatte. Die müssen ja auch irgendwoher kommen."
Werben mit Nachhaltigkeit: Dahinter steckt oft eine ganz andere Motivation
Viele Firmen werben unter dem Label der Nachhaltigkeit inzwischen damit, dass sie alte Kleidung zurücknehmen und Neues aus Altem produzieren. Das klingt im ersten Moment gut und nachhaltig.
Jochen Strähle sagt, dass es wichtig ist, sich nach der Motivation der Unternehmen zu fragen, weil sich mit Secondhand-Kleidung eigentlich kein Geld verdienen lasse.
Der Mode-Marketing-Experte geht davon aus, dass die Kleiderschränke voll sind und die Modefirmen darauf spekulieren, dass sie Kunden alte Kleidung abnehmen müssen, um ihnen neue zu verkaufen.
Zudem fallen die Kosten für Marketing weg, weil die Konsumentinnen von selbst zu den Unternehmen kommen, wenn sie gebrauchte Kleidung abgeben wollen. Und wenn sie auf diese Weise für Verbraucher einen Anreiz geschaffen haben, um in den Laden zu kommen oder sich auf eine bestimmte Verkaufsplattform für Modeartikel zu begeben, dann rentiert sich das für die Unternehmen ebenfalls.
"Dann wird man zum Über-Konsumenten und gar nicht zu demjenigen, der reduziert einkauft und reduziert konsumiert - und das ist ja eigentlich das Ziel."
Der Mode-Marketing-Experte ist trotzdem davon überzeugt, dass sich secondhand langfristig als nachhaltigere Alternative herauskristallisieren wird. Er geht davon aus, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nur die Kleidungsstücke kaufen werden, die sie dann auch secondhand später weiterverkaufen können.
Auch damit, dass es zu einem Umdenken bei den Konsument*innen kommen wird, rechnet Jochen Strähle. Perspektivisch werden mehr Menschen bei ihren Einkäufen auf Marken und Qualität achten, sagt er. Nämlich um Getragenes zu einem guten Preis wieder loswerden zu können.
"Es wird sicherlich auch ein Umdenken stattfinden und auf lange Sicht auch Qualität eine stärkere Rolle spielen."