Eine Woche weiterer Lockerungen der Corona-Beschränkungen bricht an. Eine Branche dürfte das besonders freuen, die zwar die ganze Zeit weiter machen durfte, aber kaum genutzt wurde: die E-Scooter-Verleiher. Die Unternehmen stecken in einer Krise, die sich schon vor Corona abgezeichnet hat.
In Corona-Zeiten sind weniger Menschen unterwegs als sonst. Sämtliche Angebote, die mit Mobilität zu tun haben, werden daher weniger nachgefragt. Großer Verlierer ist der ÖPNV, Bus und Bahn fahren ist gerade nicht beliebt. Wer dringend wohin muss, nimmt lieber Fahrrad oder Auto, weil dort die Wahrscheinlichkeit geringer ist, sich mit dem Virus anzustecken.
Außerdem müssen viele von uns seit Beginn der Krise im März nicht mehr so oft irgendwohin. Auch die E-Scooter sind ziemlich abgeschrieben. Viele sind in den Garagen der verschiedenen Anbieter stehen geblieben, sagt Alexander Demling, Korrespondent beim Handelsblatt im Silicon Valley und Experte für Tech-Unternehmen und Start-ups.
"Lime hat jetzt in Berlin und Köln wieder ein paar E-Scooter aufgestellt. Krankenhauspersonal wird versucht, die Nutzung kostenlos zu ermöglichen. Die meisten werden aber gerade nicht gefahren."
Dass im Moment so wenig E-Scooter genutzt werden, liegt zum einen daran, dass der öffentliche Personennahverkehr und E-Scooter eng zusammenhängen: E-Scooter werden gern auf dem Weg zur Bahn oder vom Bus ins Büro oder an die Uni genutzt. Da fällt gerade viel weg. Generell haben es Sharing-Angebote gerade schwer – das gilt auch für Car-Sharer. Die Angebote werden von verschiedenen Menschen genutzt, deshalb ist damit die Angst verbunden, sich anstecken zu können.
Weil viele von uns lange Zeit zuhause geblieben sind, sind außerdem viele Spaßfahrten weggefallen von Leuten, die einfach Lust hatten, eine Runde mit so einem E-Roller zu drehen. Zumindest das könnte sich jetzt wieder ändern.
Betrieb in Corona-Zeiten oft eingestellt
Die Anbieter haben versucht, ihr Angebot auch in Corona-Zeiten attraktiv zu halten: Es wurde angekündigt, die Roller mehrfach täglich zu reinigen und zu desinfizieren. Trotzdem haben fast alle Anbieter nach und nach den Betrieb eingestellt. Erst mit der ersten Lockerungsmaßnahmen sind jetzt in großen Städten die ersten E-Scooter auf die Bürgersteige zurückgekehrt.
E-Scooter-Anbieter sind Unternehmen, die von Investoren ganz viele Risikokapital bekommen haben, erklärt Alexander Demling vom Handelsblatt. Große Teile davon mussten sie quasi verbrennen, weil der Betrieb riesiger Flotten in Großstädten vor allem am Anfang noch nicht profitabel war. Die Scooter zu kaufen, sie aufzustellen, sie jeden Abend wieder einzusammeln und zu laden - all das ist sehr teuer. Die Nutzungsbeiträge reichten dafür nicht aus.
Die Branche hatte schon vor der Krise Probleme. Dass jetzt wochenlang kein Geld eingenommen werden konnte, verschlechtert die Lage zusätzlich.
"In der Branche war schon vor Corona die Rede davon, wie lange das noch so weitergehen, also wie man sparen kann. Die Krise hat die Branche dann total auf dem falschen Fuß erwischt."
Dazu kommt auch noch das Thema Vandalismus: E-Scooter, die einfach irgendwo in den Wald oder in einen Fluss geworfen werden. Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern auch teuer für die Unternehmen. All das zusammen hat natürlich auch Auswirkungen auf Jobs.
Jobs gestrichen und weitere in Gefahr
Die Unternehmen müssen sogar ihre Festangestellten massenhaft entlassen, sagt Alexander Demling. In Deutschland seien sie vor allem in Kurzarbeit geschickt worden, in den USA sei es einfacher, sie vor die Tür zu setzen. Die Juicer – also die Leute, die die E-Scooter nachts einsammeln, um sie wieder aufzuladen – sind ohnehin keine Festangestellten. Sie machen den Job nur, wenn sie gebraucht werden. Und im Moment werden sie nicht gebraucht.
Die Zukunft der E-Scooter-Branche sieht nicht gerade rosig aus. Sogar, dass sie langfristig wieder aus unseren Städten verschwinden, ist nicht ausgeschlossen. Alexander Demling hält allerdings ein anderes Szenario für wahrscheinlicher - und zwar das, dass nur ein Wettbewerber übrig bleibt.
"Ich würde eher davon ausgehen, dass es eine starke Marktbereinigung gibt und nur das Unternehmen, das am längsten durchhält, bestehen bleibt."
So sehen das auch andere Experten. Die Corona-Krise wird den Markt bereinigen und ein, zwei Anbieter bleiben übrig – vielleicht ja gerade die, die den größten Willen zur Kooperation haben.
In den USA greifen die Städte ohnehin schon deutlich härter durch. Dort gelten strengere Regeln, damit die E-Scooter nicht überall Bürgersteige oder Fahrradwege zustellen. Solche Regeln erwarten Experten auch für deutsche Städte. Wenn die Scooter dann nachts auch noch mit einem Lastenfahrrad eingesammelt werden, statt mit einem Diesel-Pick-up – so machen das einige Anbieter schon – dann könnten auch E-Scooter ihren Teil zur Mobilitätswende beitragen, sagt Sebastian Sonntag von Deutschlandfunk Nova.