Die katholische Kirche hat unabhängige Forscher um Aufklärung der Missbrauchsfälle gebeten - gleichzeitig aber manche Akten zurückgehalten. Die ihr per Grundgesetz zugesicherte Autonomie macht das möglich.
Von 1946 bis 2014 wurden 3.677 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt in der katholischen Kirche. Als Täter vermutet werden 1670 Kleriker, die Dunkelziffer von Opfern und Tätern dürfte aber weitaus höher liegen. Zum diesem Ergebnis kommen Forscher aus Mannheim, Heidelberg und Gießen, die von der Kirche beauftragt wurden, um die Missbrauchsfälle zu ermitteln.
Zwar hat die katholische Kirche ein unabhängiges Forschungskonsortium mit der Aufklärung beauftragt - sie hätte es aber nicht machen müssen. Die Aufklärung ist der Kirche selbst überlassen, und so kann sie entscheiden, ob sie von extern ermitteln lässt, selbst ermittelt oder im Zweifelsfall gar nichts macht.
"Ohne sehr starken öffentlichen Druck geschieht nichts."
Die mehr oder wenige freiwillige Aufklärung liegt an der grundgesetzlich zugesicherten Autonomie der Kirche. Sie darf sich selbst verwalten, hat ein eigenes Recht, zum Beispiel auch Arbeitsrecht, das für bei der Kirche Angestellte andere Arbeitnehmerrechte festlegt als das gesetzliche.
So sind auch die aktuellen Leitlinien der Kirche zur Missbrauchsprävention eher Kirchen-freundlich ausgelegt. Sie enthalten die Möglichkeit, dass Kirchenvertreter Verdachtsfälle des Missbrauchs an den Staat weiterleiten. Eine Pflicht das zu tun, ist darin aber nicht formuliert.
Kirche zwingen, Akten herauszugeben
Inzwischen werden Forderungen laut, die Autonomie der Kirche zu beschränken. Der unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Johannes-Wilhelm Rörig sagt, die Kirche könne sich nicht selbst aufklären. Er schlägt daher einen Vertrag zwischen Staat und Kirche vor.
Andere Experten bringen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Spiel, der die Kirche dazu zwingen könnte, Akten herauszugeben - auch solche, die sie aktuell gegenüber dem ermittelnden Forschungskonsortium zurückgehalten hat.
"Manche Bischöfe sind immer noch der Meinung, dass man über Missbrauch nicht reden sollte und dass man nur ein bisschen Geduld braucht, bis das Thema vorüber ist."
Der Wille der katholischen Kirchen, aufzuklären, sei sehr unterschiedlich ausgeprägt, sagt Christiane Florin aus der Dlf-Religionsredaktion. Das zeige sich vor allem an den Bistümern und den Bischöfen. Manche seien interessiert an Aufklärung, andere machten so gut wie nichts. Persönliche Konsequenzen hat es bisher aber keine gegeben. Keiner der Bischöfe hat seinen Rücktritt angeboten.
"Mir scheint, als habe für viele Personen in hohen Posten die Institution Kirche deutlich mehr gezählt als die betroffenen Kinder und Jugendlichen", sagt Christiane Florin.