Nina Meinke muss als Profiboxerin viel Schmerz aushalten. Für sie hat das auch viel mit Psyche zu tun. Neurowissenschaftler Christian Büchel erklärt, wie unterschiedlich Schmerzempfinden ist und ob wir lernen können, Schmerz zu reduzieren.
Nina Meinke ist 31 und deutsche Profiboxerin. Seit diesem Jahr ist sie Weltmeisterin im Federgewicht. Sie muss nicht nur bei den Kämpfen selbst viel Schmerz aushalten, sondern auch im Training geht sie oft über ihre körperlichen und damit auch mentalen Grenzen. Nina sagt, dass sie über die Jahre gelernt hat, den Schmerz zu ertragen: "Da lernt man, anders damit umzugehen."
Adrenalin gegen Schmerzen
Schmerzmittel nimmt sie selten. Nur wenn es gar nicht anders geht. Darauf verzichtet hat sie selbst, als sie sich mal in einem Boxkampf die Hand gebrochen hat – und damit noch weiter kämpfte. Vor einer Weile musste Nina aber mal der Nagel abgenommen werden. Da hat sie dann doch Schmerzmittel genommen.
"Im Kampf ist das Adrenalin so hoch, dass ich keine Schmerzen spüre."
In der Regel schafft die Profiboxerin es aber, den Schmerz zu ignorieren. Sie sagt, dass sie ihn vor lauter Adrenalin und Fokus gar nicht bemerkt. Das war beispielsweise schon mal bei einem Kampf so, als sie Platzwunde an der Stirn hatte: "Wäre mir das Blut nicht runter geronnen, hätte ich auch nicht bemerkt, dass ich einen Cut habe."
Schmerz ist schwer messbar
"Jeder Mensch empfindet Schmerz anders. Und Schmerz zu messen, ist relativ kompliziert", sagt Neurowissenschaftler und Schmerzforscher Christian Büchel. Das heißt, eine der wichtigsten Messmethoden bei Schmerz ist der verbale Bericht. Also: Wie weh tut Patientinnen und Patienten zum Beispiel ein Hitzereiz oder ein Druckreiz?
"Wir sind erst glücklich in der Therapie, wenn dieser berichtete Schmerz geringer geworden ist."
Die Forschung zeigt außerdem, so der Neurowissenschaftler, dass Erwartungen an die Geschlechterrolle auch eine sehr große Rolle spielen in puncto Schmerzempfinden. "Wir haben jungen Männern in der einen Gruppe erklärt, dass sie als Jäger und Sammler evolutionär mehr Schmerz aushalten mussten und weniger schmerzempfindlich sind. Und einer anderen Gruppe haben wir erzählt, dass eigentlich Frauen ja durch den Geburtsschmerz deutlich schmerzunempfindlicher sein müssen."
Erwartungen verändern Schmerzempfinden
Für beide Gruppen wurden also entgegengesetzte Erwartungen an die eigene Geschlechterrolle generiert. Heraus kam: Denjenigen, denen erzählt wurde, dass sie eigentlich Jäger und Sammler sind, haben den Schmerz geringer wahrgenommen. Die anderen haben ihn als deutlich intensiver wahrgenommen.
Profiboxerin Nina Meinke sagt, dass sie ihre Schmerzgrenze regelmäßig austestet und versucht, sie zu überschreiten – auch in der Vorbereitung auf Kämpfe: "Der Körper gewöhnt sich dran. Mal schauen, wie lange noch." Sie versucht aber auch, auf ihren Körper zu hören: "Es gibt natürlich auch Verletzungen und da rein zu trainieren, wäre natürlich auch nicht schlau, weil ich ja meine Leistung bringen muss."
Insgesamt versucht Nina, positiv zu sein und negative Gedanken auszublenden. Sie arbeitet damit ganz bewusst an ihrem Mindset für Kämpfe in der Zukunft, damit sie stark auftritt und gut auf die Schmerzen vorbereitet ist.
So steuern Gedanken Schmerz
Bei Schmerzen lohnt sich auch der Blick in die Vergangenheit. "Unser Gehirn lernt im Laufe des Lebens, eine Vorstellung davon zu haben, was Schmerz bedeutet", sagt die Psychologin Christiane Hermann. Sie nennt ein Beispiel: "Ein kleines Kind fällt hin, schaut sich um und schaut erstmal, wie die Bezugsperson reagiert und fängt dann an zu weinen. Eben auch aus dem Grund, dass dann man dann auch getröstet wird."
Das heißt: Wir wissen, dass wir individuell – je nach unseren Erfahrungen – eine Vorstellung davon bekommen, wie bestimmte Körperempfindungen schmerzhaft sind, so die Expertin. Sie sagt aber auch, dass Menschen grundsätzlich unterschiedlich schmerzempfindlich sind. Das hängt beispielsweise davon ab, wie viel Opioidrezeptoren jeder und jede hat, denn sie spielen eine Rolle bei der Schmerzregulation.
"Wir haben eine eingebaute Bremse. Das heißt: Wir haben körpereigene, schmerzhemmende Mechanismen, die dafür sorgen, dass wir nicht ständig alles als schmerzhaft empfinden."
Körpereigene, schmerzhemmende Mechanismen lassen sich laut Christiane Hermann aber auch aktivieren – beispielsweise durch bestimmte Gedanken, die man hat: "Wenn man zum Beispiel Schmerzen hat, und man lenkt sich ab. Oder wenn ich mich in eine andere Stimmung versetze."
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