Man spricht nicht gerne darüber, aber irgendwann müssen wir alle sterben. Wann genau, das will man am liebsten gar nicht wissen. Die Wissenschaft hingegen will es sehr genau wissen und hat deshalb die Einheit Mikromort erfunden.

Mikromort – das ist die Maßeinheit der Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million, dass wir heute sterben. Der Mathematiker Christian Hesse von der Universität Stuttgart hat aber genau für diese Berechnungen eine besondere Leidenschaft entwickelt und errechnet mit der Hilfe eines enorm riesigen Datensatzes, wie lange eine bestimmte Person mit ihrem bestimmten Lebensstil und Alter noch zu leben hat.

Ein Mikromort entspricht dem Sterberisiko einer gesunden 25-jährigen Person in Mitteleuropa an einem ganz normalen Tag.

Daten des statistischen Bundesamtes als Basis

Ausrechnen kann Christian Hesse ein bestimmtes Sterberisiko mit Hilfe der Daten des statistischen Bundesamtes. Dort werden seit langer Zeit große Mengen an Daten erfasst. Zum Beispiel Geburts- und Sterbedaten. Die liefern dann etwa Zahlen, wie viele – von einer Million geborener Babys – im ersten oder zweiten Lebensjahr sterben. Oder wie viele Menschen 80 oder 90 Jahre alt werden. Dabei wird auch unterschieden, ob es sich um Frauen oder Männer handelt.

Risikohaftes Verhalten spielt eine Rolle

Bei der Errechnung, wie hoch ein bestimmtes Sterberisiko ausfällt, geht es aber nicht nur um das Alter, sondern auch um das jeweilige Verhalten der Person. Wer beispielsweise drei Zigaretten an einem Tag raucht, erhöht damit sein eigenes Sterberisiko um ein Mikromort. Umgerechnet auf Jahre: Wer mit 17 anfängt pro Tag mindestens 15 Zigaretten zu rauchen, verkürzt sein Leben damit im Durchschnitt um sieben Jahre.

"Drei Zigaretten an einem Tag erhöhen schon das Risiko für den Tag um einen Mikromort."
Christian Hesse, Mathematiker der Universität Stuttgart

Auch risikohafte Sportarten können den Mikromortwert in die Höhe schnellen lassen. Extremstes Beispiel: Wer auf den Mount Everest wandert, hat ein Sterberisiko von 35.000 Mikromort. Fallschirmspringen hat dagegen nur ein Risiko von sieben Mikromort.

Gefühlte Wahrheiten revidieren

Auch die Nutzung von Verkehrsmitteln wird bei der Berechnung des Sterberisikos mit einbezogen. Fliegen gilt dabei als besonders sicher. Wer fliegt, kann 12.000 Kilometer bis zu einem weiteren Mikromort zurücklegen. Wer Auto fährt braucht dagegen nur 500 Kilometer zurücklegen. Und wer Rad fährt hat schon nach 30 Kilometern ein weiteres Mikromort gesammelt.

Christian Hesse findet seine Arbeit spannend. Für ihn können Daten und Zahlen manche Dinge nicht nur verständlicher als Worte erklären, sondern auch die gefühlten Wahrheiten zurechtrücken.

"Daten und Zahlen machen die Dinge irgendwie präziser als Worte das können. Und manchmal revidieren sie auch gefühltes Wissen."
Christian Hesse, Mathematiker der Universität Stuttgart

"Kompetent erhobene und verlässliche Daten" seien das neue Gold unserer Zeit und Datenanalytiker die neuen Goldgräber, sagt Christian Hesse.

Shownotes
Big Data
Mikromort: Wie wir unser eigenes Sterberisiko errechnen können
vom 17. Dezember 2020
Moderatorin: 
Paulus Müller
Gesprächspartner: 
Christian Hesse, Mathematiker