Nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat sich der Ton in der Migrationsdebatte erneut verschärft. Die Union fordert einen härteren Kurs, mehr Abschiebungen, am besten täglich. Wir fragen: Was macht diese Debatte mit Geflüchteten in Deutschland?
Im Wahlkampf vor der im Februar 2025 anstehenden Bundestagswahl geht es hauptsächlich um ein Thema: Migration und Flüchtlinge. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union (CDU/CSU), spricht sich unter anderem für dauerhafte Grenzkontrollen, die Zurückweisung von Menschen an der Grenze, ohne dass sie einen Asylantrag stellen konnten, und die Inhaftierung Ausreisepflichtiger aus. Die AfD signalisiert bereits Zustimmung. Doch auch die FDP und das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) sind keineswegs abgeneigt.
Politische Forderungen, aufgeheizte Stimmung
Welche politischen Mehrheiten am Ende zusammenkommen und was verfassungsrechtlich und gemessen am EU-Recht umsetzbar sein wird, ist bisher umstritten bis unklar. Deutlich zu spüren ist aber, dass die Angst unter Geflüchteten und Asylsuchenden zunimmt, sagt Matthias Lehnert. Er ist Rechtsanwalt und auf Asyl- und Aufenthaltsrecht spezialisiert. Seine Mandant*innen sind Geflüchtete, Menschen ohne deutschen oder ganz ohne Pass – Geduldete oder diejenigen, die in Deutschland leben und hoffen, ihre Familie nachkommen lassen zu können.
"Eine derart massive Verunsicherung wie in den letzten Monaten und Wochen habe ich bisher noch nie erlebt."
Forderungen nach einer schärferen Migrationspolitik sind nichts Neues, sagt Matthias Lehnert. In den jeweiligen Communities führen sie stets zu Fragen, Sorgen und Ängsten. Allerdings wenden sich aktuell gerade besonders viele Mandanti*innen an den Juristen, er spricht sogar von einer "Flut von Anfragen".
Gefährliche Gerüchte
Dazu kommt: Es kursieren Gerüchte, etwa dass die Grenze dicht gemacht wird und dass Menschen, die eigentlich in Deutschland ein Aufenthaltsrecht haben, nicht mehr einreisen können. Und es geht um ganz existentielle Ängste wie: Muss ich jetzt fürchten, dass morgen die Polizei vor der Tür steht?
Genau diese Angst macht Saad das Leben gerade sehr schwer, berichtet Minh Thu Tran. Die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin fasst seine Geschichte zusammen: Saad ist Jeside und ursprünglich aus dem Nordirak. Er hat den seit 2014 im Nordirak vom sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführten Genozid mit- und überlebt.
Saad hat eine lange, beschwerliche Flucht hinter sich. Seitdem ist er schwer traumatisiert. Doch seit der sogenannte IS 2017 besiegt wurde, werden in Deutschland immer mehr Asylanträge von Jesid*innen abgelehnt, darunter auch Saads Antrag. In der Realität sind Jesid*innen im Irak jedoch immer noch großer Gefahr ausgesetzt, sagt Minh Thu Tran.
Angst vor der Abschiebung
Insgesamt sind in Deutschland derzeit etwa 220.000 Menschen ausreisepflichtig – doch der Großteil von ihnen hat eine Duldung, erklärt die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin. Das heißt, diese Menschen können nicht abgeschoben werden, weil sie zum Beispiel krank sind oder weil es ein Abschiebestopp in ihr Herkunftsland gibt.
Von diesen rund 220.000 sind es 40.000, die unmittelbar abgeschoben werden könnten.
"Ich würde schon sagen, dass in Deutschland ein rassistisches Klima herrscht. Das betrifft nicht nur AfD-Abgeordnete, sondern die breite Gesellschaft."
Gemessen an der politischen Lage könnte es Asyl- und Schutzsuchenden künftig schwerer gemacht werden, in Deutschland bleiben oder nach Deutschland kommen zu können. Viele der zurzeit kursierenden Forderungen von Merz, AfD & Co. wären aber kaum umsetzbar, so die Einschätzung von Jurist*innen, darunter auch Matthias Lehnert.
Allerdings sei noch etwas nicht zu unterschätzen, so Lehnert: Die Stimmung in der Gesellschaft sei aufgeheizt – der Jurist geht sogar so weit, sie als "rassistisch" zu bezeichnen. Die Ängste derjenigen, deren Status ungeklärt ist, dürften also wachsen.
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