Über 14.000 der flüchtenden Menschen aus der Ukraine haben sich nach Griechenland aufgemacht und bekommen dort einen temporären Schutzstatus. Gerade ist eine digitale Plattform online gegangen, über die die Ukrainer:innen wichtige Dokumente unkompliziert beantragen können. Viele Geflüchtete aus afrikanischen und asiatischen Ländern beschweren sich jetzt und fragen: Wieso gibt es so etwas nicht für uns?
Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis oder Versicherungsnummer beantragen – solche bürokratischen Angelegenheiten können Geflüchtete aus der Ukraine auf der Online-Plattform des griechischen Migrationsministeriums jetzt unbürokratisch erledigen.
Die ukrainischen Kinder sollen in Griechenland jetzt auch sehr schnell zur Schule gehen können – und die Erwachsenen sehr schnell eine Arbeitserlaubnis bekommen.
"Migranten aus zum Beispiel Afghanistan können das alles nicht so einfach tun. Sie haben es in Griechenland viel, viel schwerer."
Demgegenüber stehen Tausende Migrantinnen und Migranten aus afrikanischen und asiatischen Ländern, die in teils gefängnisartigen Lagern ausharren und monatelang auf einen Skype-Termin warten, damit ihr Asylverfahren überhaupt beginnt, berichtet unsere Korrespondentin Verena Schälter in Athen.
Griechenlands Migrationsminister: "Echte Flüchtlinge"
Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarachi hat die Ungleichbehandlung damit begründet, dass die ukrainischen Flüchtlinge ja Kriegsflüchtlinge seien und damit "echte Flüchtlinge", wie er es formuliert hat.
Die "falschen" Flüchtlinge sind in der Logik der griechischen Regierung alle anderen, also beispielsweise eben Geflüchtete aus Afghanistan oder aus afrikanischen Ländern. Das sei eine Art indirekte Stimmungsmache gegen Migranten aus diesen Ländern - auf dem Rücken der ukrainischen Geflüchteten, sagt unsere Korrespondentin.
"Warum erzählt Mitarachi was von 'echten' Flüchtlingen? Das bedeutet ja, es muss auch 'falsche' geben. Das ist indirekte Stimmungsmache."
Laut UN-Flüchtlingsrat sind aber eben nicht nur Krieg oder Katastrophen ein Grund, warum Menschen als Flüchtling anerkannt sind. Das Völkerrecht ist bei der Frage deutlich differenzierter – zum Beispiel gelten auch Menschen als Flüchtlinge, die aufgrund ihrer politischen Gesinnung oder sexuellen Orientierung verfolgt werden. Und all diese Kriterien sind gleichwertig, erklärt Verena Schälter.
Geschlossene Flüchtlingscamps
Das Thema Migration spiele in der griechischen Öffentlichkeit mittlerweile keine größere Rolle mehr, sagt Verena Schälter. Quasi nur noch dann, wenn die griechische Regierung verkünde: Leute, wir haben wieder ein neues, geschlossenes Flüchtlingscamp aufgestellt. Ihr müsst euch keine Sorgen mehr machen, eure Inseln werden jetzt nicht mehr von irgendwelchen Flüchtlingen oder Flüchtlingslagern entstellt.
"Die griechischen Behörden wollen zeigen: Leute, wir bauen jetzt Flüchtlingslager. Dann sind die Leute sozusagen kaserniert. Sie sind weit weg. Aus den Augen, aus dem Sinn."
In den Camps auf Samos oder Lesbos hatten schreckliche Zustände geherrscht, sie hatten „teilweise Slum-ähnlich funktioniert“, berichtet unsere Korrespondentin. Das Camp Moria auf Lesbos war sogar abgebrannt. Hier wolle Griechenland jetzt gegenarbeiten.
"Politisches Kalkül"
Die Griechinnen und Griechen würden den ukrainischen Geflüchteten sehr hilfsbereit und solidarisch gegenübertreten. Die Hoffnung von Aktivist:innen sei, dass sich das dann vielleicht auch wieder auf die Menschen aus anderen Ländern überträgt, berichtet Verena Schälter.
Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist allerdings fraglich – zumindest wenn man sich die Politik der griechischen Regierung anschaut. Denn dass es diese Quasi-Zweiklassengesellschaft bei den Geflüchteten in Griechenland gebe, sei eine Art politisches Kalkül oder Strategie, glaubt unsere Korrespondentin: Nur eine bestimmte Gruppe von Geflüchteten – und zwar die aus einem europäischen Nachbarland – seien die "echten" Flüchtlinge. Die anderen, die "falschen", hätten in Griechenland eigentlich gar nichts zu suchen.