Die Social-Media-Plattform TikTok ist eigentlich bekannt für lustige, kurze Video-Clips. Die zum Teil albernen Videos taugen eher für maximale Zerstreuung als für konzentriertes Lernen. Jetzt will die Plattform aber mehr Lernvideos zur Verfügung stellen.
Geplant ist, Expertinnen und Experten zu gewinnen, die in kurzen Videos eine Einführung in verschiedene Themen geben – etwa den Satz des Pythagoras erklären oder Tipps geben, wie ein Bewerbungsgespräch besser läuft.
"Die Idee dahinter nennt sich Micro-Learning. Das bedeutet: Lernen in sehr kleinen Einheiten, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen."
Das Konzept dahinter: Micro-Learning. Das heißt: Das Lernen passiert in sehr kleinen Einheiten, Lern-Häppchen sozusagen, die sich im Alltag schnell konsumieren lassen, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Benedikt Schulz.
Der Effekt ist bestätigt: Jeden Abend zehn Minuten Vokabeln zu lernen bringt bekanntermaßen mehr, als sich alles in der Nacht vor dem Test reinzupauken.
Viele Apps nutzen Micro-Learning schon
Micro-Learning gibt es schon – eher neu sind solche Lernformate aber in der Erwachsenenbildung oder in der Weiterbildung von Personal, erklärt Benedikt Schulz: Mit Apps oder kurzen Lernvideos können Unternehmen ihre Belegschaft fix weiterbilden oder auf den neuesten Stand im Technikbereich bringen – ganz ohne aufwändige Fortbildung. Auch Sprach-Apps wie Speakly oder Duolingo nutzen das Konzept des Micro-Learnings.
"Damit ein Lern-Video funktioniert, muss der Gegenstand nachvollziehbar, interessant und gut aufgearbeitet sein. Gut meint: Die Rahmenbedingungen müssen erklärt werden, und am Ende steht idealerweise ein Merksatz."
Noch gibt es keine Studien dazu, ob und wie gut Videos auf TikTok zur Bildung beitragen können. Aber es gibt Untersuchungen, die sich mit dem didaktischen Nutzen von YouTube-Videos beschäftigen, die es ja schon länger gibt, sagt Benedikt Schulz. Die hätten sich mittlerweile etabliert und würden von Bildungswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen auch ernst genommen.
Länge der Clips nicht entscheidend
Lernvideos können durchaus funktionieren, wenn sie gut aufbereitet sind, urteilt denn auch Sven Kommer, Professor für Technik- und Medienbildung an der RWTH Aachen.
Er ist außerdem überzeugt: Auch in 30 Sekunden lässt sich sehr viel erklären und erzählen. Es komme eben auf den Gegenstand an. Die Kritik der reinen Vernunft von Kant zum Beispiel würde sich da eher weniger eignen. Aber ein Merksatz zu einer mathematischen Gleichung oder einem physikalischen Experiment ließe sich gut in einem Video rüberbringen.
"Wenn man so will, ist das Frontalunterricht. Jeder gute Unterricht besteht aber aus einem Methodenmix."
Ein vollständiger Ersatz für andere Lernarten sind die Videos in keinem Fall, findet unser Reporter. Sie bieten schließlich nur eine passive Nutzung. Ein guter Unterricht aber besteht aus einem Methodenmix, meint er.
Videos alleine bringen wenig
Die Videos alleine helfen uns demnach nicht weiter. Denn um beispielsweise ein Video, in dem es um einen Merksatz für die binomischen Formeln geht, überhaupt zu verstehen, müsse der Zuschauer zumindest wissen, was die Formeln sind und wozu er sie braucht.
Die Videos können also helfen – aber nur denjenigen, die systematisch nach Lern-Inhalten suchen. Und das, so unser Reporter, könnte in dem Meer aus Albernheiten von TikTok zur eigentlichen Herausforderung werden.