Weniger Zölle, mehr Geld. Das ist das Ziel des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Firmen hoffen auf neue Märkte und steigende Umsätze. Deutsche Landwirte fürchten jedoch negative Konsequenzen.
Die größte Freihandelszone der Welt soll zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay entstehen: In ihr leben mehr als 715 Millionen Menschen. Zölle zwischen den Ländern sollen fast komplett entfallen, das soll die Wirtschaft kräftig ankurbeln.
Was Bauern kritisieren
Kritik an dem Beschluss kommt vor allem von Landwirten: Rindfleisch aus Argentinien beispielsweise würde in der EU und somit auch in Deutschland wesentlich günstiger, wenn Zölle entfallen.
Martin Schulz ist Landwirt im Wendland und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Er lehnt das Abkommen nicht an sich ab. Meint aber, dass Landwirtschaft nicht "als Verhandlungsmasse" genutzt werden sollte. Die Agrarmärkte in Europa seien teils schon jetzt überlaufen. Noch mehr günstige Produkte würden das Problem noch verschärfen: "Dass der Markt überläuft, ist nicht in unserem Sinne", sagt er.
"Wir haben schon Angst davor, dass die Rindfleischpreise unter Druck geraten. Und dann kann das für die Betriebe auch gar nicht mehr wirtschaftlich sein, und dann hören die auf."
In der EU gebe es hohe Auflagen für die Landwirte. "Die sind ja auch berechtigt", sagt Martin Schulz, wenn man Tiere und Umwelt schützen will. In anderen Ländern lägen die Standards aber nicht so hoch. Deutsche oder europäische Bauern können mit diesen Produkten oft nicht konkurrieren, so der Landwirt. Und das bereite ihm Sorge: Selbst höhere Preise für gute, regionale Ware lassen sich dann nur schwer durchsetzen, befürchtet er. Viele Bäuerinnen und Bauern seien daher verunsichert und ihnen fehle das Vertrauen in die Politik.
Kleine Betriebe, berechtigte Ängste
Vor allem die Sorgen der kleinen und mittelgroßen landwirtschaftlichen Betriebe könne man gut nachvollziehen, sagt Journalistin Jule Reimer, Expertin für Agrar- und Handelspolitik. Brasilien habe beispielsweise mehr Rinder als Einwohner. Auch Geflügel werde in Lateinamerika massenhaft produziert, unter niedrigeren Lohnkosten. "Kleine Betriebe können nur schwer mithalten, wenn es auf dem Weltmarkt immer billigr wird", so die Journalistin.
"In Deutschland ist ein Hof mit 200 Hektar schon richtig groß. In Lateinamerika ist ein Hof mit 2000 Hektar fast noch klein."
Die deutsche Industrie will dieses Freihandelsabkommen aber unbedingt, sagt Jule Reimer, weil etwa Zölle auf Maschinen oder Autoteile immer noch recht hoch sind. Und auch um in Südamerika besser Fuß zu fassen, würde der Deal den Unternehmen helfen. Allerdings: An dem Vertrag wurde mehr als 25 Jahre verhandelt und nicht alles, was damals galt, gelte so noch heute.
"Ursula von der Leyen hat an die Landwirte das Signal gesendet: Wir haben euch gehört, wir werden keine Absenkung unserer Standards zulassen."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kennt die Kritik der Landwirte und hat ihnen daher eine Unterstützung an anderer Stelle in Aussicht gestellt, sagt Jule Reimer. Möglich wäre das zum Beispiel im Rahmen der nächsten EU-Agrarreform 2027. So könnte man die Betriebe besser unterstützen, die mehr auf Klasse statt Masse setzen, die Nischenprodukte anbieten oder mit Blühstreifen die Biodiversität fördern.
Das Mercosur-Abkommen ist nun zwar von der EU-Kommission ratifiziert, zustimmen müssen aber noch die Länder. Vor allem Frankreich ist gegen den so abgestimmten Beschluss und hat Widerstand angekündigt. Auch in Italien und Polen gibt es Vorbehalte. Deutschland hingegen unterstützt den Vertrag.
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