Nach dem Abi macht Sam Work & Travel in Australien. Als er acht Monate später nach Hause kommt, hat sich einiges geändert: neue Personen im Freund*innenkreis, neue Gesprächsthemen. Sam ist verunsichert.
Seine große Leidenschaft sind Beats, aber ein Musikstudium traut er sich nicht so recht zu. Darum macht er ein Praktikum bei einer TV-Produktionsfirma. Er hat jetzt volle Tage und Wochen und ist oft müde. Am Wochenende will er einfach mit seiner alten Clique entspannen, zocken und kiffen. So auch an diesem Abend im Mai 2015.
"Wir rauchen einen, so wie wir das immer ab und zu machen, ist jetzt kein extremer Konsum, den wir haben. Ich habe Angst, dass ich was falsch mache, ich habe Angst, schräg angeguckt zu werden. Ich bilde mir ein, dass Leute über mich urteilen."
Wahnhaft auch ohne Cannabis
Sam hat an diesem Abend Angst, eine Panikattacke vor seinen Freund*innen zu bekommen und verschwindet nach Hause. Er hat in den Wochen davor schon gemerkt, dass er sich niemandem so richtig mitteilen kann – nicht mal seinen engsten Freund*innen.
Im Sommer 2015 fängt er eine Ausbildung in einer Designagentur an. Nach und nach merkt er: Diese Panik, dass andere ihn beobachten, über ihn reden, die hat er nicht nur, wenn er kifft, sondern auch im nüchternen Zustand – auch bei der Arbeit. Irgendwann hat er im Büro einen Nervenzusammenbruch, sein Chef schickt ihn nach Hause. Ab dann weiß Sam nicht mehr, wie ihm geschieht.
"Ich habe diesen Blitz gesehen, der aus dem Himmel rausgekommen ist. Die Wolken sind aufgegangen, es schien die Sonne durch.
Ich war überzeugt davon, dass ich Jesus Christ gesehen hab. Das hat mich natürlich noch mehr bestätigt, dass diese Wahngedanken echt sind."
Sam wird eingewiesen
Sam wird in eine Akutklinik für psychische und psychiatrische Erkrankungen eingewiesen. Dort bekommt er die Diagnose cannabisinduzierte Psychose. Die Ursache ist häufig ein stark erhöhter Dopamin-Gehalt im Gehirn. Deshalb bekommt Sam Medikamente, sogenannte Neuroleptika, die das regulieren sollen. In den ersten zwei Wochen in der Klinik ist er deswegen wie ausgeknockt.
Sam verarbeitet seine Psychose mithilfe von Rap
Es dauert insgesamt sechs Monate, bis Sam wieder einigermaßen zurück ins Leben findet. Er muss weiter Medikamente nehmen, fängt erneut eine Ausbildung zum Medienkaufmann an und geht wieder feiern. Dazu kommen Zwischenprüfungen, Klausuren, Stress. Dann hat Sam einen Rückfall, muss noch mal in eine Klinik. Hier findet er – neben der Therapie – endlich einen Weg, all das auszudrücken, was er lange für sich behalten hat: Er schreibt Texte und rappt. Am 14. Oktober 2022 feiert er den Release seines Albums "Sam vs. die Welt II".
Die ganze Geschichte hört ihr hier oder im Podcast.
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- Buch: Bock T. (2020): Menschen mit Psychose-Erfahrung begleiten. Psychiatrie Verlag, Basiswissen, 10. Auflage.