Die New York Times hat in einem langen Dossier mit der Überschrift "Delay, Deny and Deflect" die Strategie von Facebook in der Öffentlichkeit kritisiert. Die Autoren des Artikels sprachen mit über 50 Informanten, die meisten davon ehemalige oder aktuelle hochrangige Facebook-Mitarbeiter, die anonym bleiben wollen.
Facebook habe, so das Ergebnis der Recherchen der New York Times, mit PR-Kampagnen gezielt versucht, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Das Unternehmen soll die PR-Agentur "Definers Public Affairs" damit beauftragt haben, nicht nur das eigene Image in der Öffentlichkeit möglichst rein zu waschen. Auch Gegen- und Entlastungsangriffe in Richtung von Facebook-Kritikern soll die Agentur gefahren haben. Außerdem wurden negative Stories über Konkurrenten lanciert, heißt es in dem Dossier.
Mark Zuckerberg hat direkt nach Erscheinen des Artikels auf die Vorwürfe reagiert. In einer Schaltkonferenz mit Journalisten hat er zumindest versucht, sich und seine Geschäftsführerin Sheryl Sandberg aus der Schusslinie zu nehmen. Er und Sheryl hätten von solchen Aufträgen an die PR-Agentur nichts gewusst. Zuckerberg hatte unmittelbar nach Veröffentlichung des Dossiers den Vertrag mit "Definers Public Affairs" aufgelöst.
Nach den Affären um Cambridge Analytica und einer russischen Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahlen war Facebook massiv unter Druck geraten. Die Folge: Mark Zuckerberg musste sich erklären. Sowohl vor dem Kongress als auch vor dem EU-Parlament. Und während Zuckerberg in der Öffentlichkeit Süßholz geraspelt hat, liefen im Hintergrund Schmierenkampagnen.
Erfundene Negativberichte über die Konkurrenz
Laut New York Times soll die PR-Agentur Journalisten mit Material versorgt haben, das belegt, die Kritikergruppe "Freedom from Facebook" sei vom Milliardär George Soros finanziert. Darüberhinaus hatte die Agentur auch eine Pseudo-Newsseite betrieben, auf der an den Haaren herbeigezogene Negativ-Artikel über Apple und Google veröffentlicht wurden.
"Die Vorstellung, Facebook würde und könne vorwiegend nach hehren moralischen Kriterien agieren, die ist halt ziemlich naiv."
Die jetzt bekannt gewordene PR-Strategie, die über Facebook in Auftrag gegeben wurde, steht im krassen Gegensatz zur jüngsten "Wir haben Verstanden"-Image-Kampagne. Im Facebook-Blog heißt es zwar, das Dossier der New York Times sei in einigen Punkten "ungenau". Aber das Dossier zeigt deutlich: Facebook stand und steht gewaltig unter Druck. Nicht nur, weil eine Zerschlagung des Unternehmens durch die US-Politik im Raum steht.
Dazu passen viele von der New York Times veröffentlichte Details, wie zum Beispiel, dass Facebook anti-muslimische Postings von US-Präsident Donald Trump habe durchgehen lassen, um "den Bären nicht zu reizen". Oder dass Facebook aus einer Front der übrigen Internetkonzerne gegen ein konservatives Gesetz ausgeschert sei, um bei den Republikanern gut Wetter zu machen.
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