Wer sich mit Rassismus, Sexismus und Klassismus beschäftigt, kommt an dem Begriff Intersektionalität nicht vorbei. In ihrem Vortrag erklärt die Politikwissenschaftlerin Emilia Roig, was dahintersteckt.
Hund oder Katze, Beziehungsmensch oder Single, große oder kleine Füße – wir Menschen sind ziemlich unterschiedlich. Aber es gibt einige Unterschiede, die eine besondere Relevanz haben: "Sie sind in Hierarchien eingebettet", sagt Emilia Roig, Politikwissenschaftlerin und Gründerin des Center for Intersectional Justice.
Bei Geschlecht, sexueller Orientierung, sozialer Klasse, Hautfarbe, Alter und Behinderung finden wir Unterschiede, mit denen eine Wertung einhergeht. Deswegen bezeichnen wir diese auch als Identitätsmerkmale. Und genau diese Identitätsmerkmale sind für das Verständnis von Intersektionalität wichtig, erklärt Emilia Roig.
"Die soziale Klasse ist eng mit Geschlecht und Hautfarbe verschränkt. Es ist ein Mythos, dass die Arbeiterklasse weiß und männlich ist. Die globale Arbeiterklasse ist mehrheitlich weiblich und People of Color."
Intersektionalität bedeutet: Wir betrachten eine hypothetische Person, die alle Diskriminierungen erfährt und versuchen, dass es dieser Person gut geht, erklärt Emila Roig. Damit das passiere, müssten alle Diskriminierungsmechanismen gleichzeitig bekämpft werden – also Sexismus, Rassismus, Klassismus, Ableismus und so weiter. Intersektionalität ist also ein Trickle-Up-Ansatz und kein Trickle-Down-Ansatz, so Roig.
"Es ist wichtig, alle Diskriminierungen auf einer Ebene zu betrachten, um Armut, Reichtum, Scheitern, Erfolg besser zu verstehen."
Mit dem Ansatz Intersektionalität wird auch berücksichtigt, dass verschiedene Diskriminierungen nicht getrennt voneinander existieren. So sind Menschen, die von Armut betroffen sind, häufig außerdem weiblich und People of Color. Deswegen ergibt es auch keinen Sinn, verschiedene Diskriminierungen gegeneinander auszuspielen.
"Intersektionalität wird oft falsch verstanden – als ein Versuch, sehr viele kleinteilige Unterschiede zu sehen. Aber das stimmt nicht. Intersektionalität ist ein Ansatz, der uns hilft, mehr Menschen zu erreichen."
Intersektionalität bietet außerdem eine alternative Erzählung zum Narrativ der Leistungsgesellschaft, sagt die Politikwissenschaftlerin. Diejenigen in unserer Gesellschaft, die Macht und Erfolg haben, haben diesen nicht unbedingt durch ihre harte Arbeit erlangt. Sondern Menschen mit Erfolg haben in ihrem Leben eine unsichtbare Hilfe genossen – nämlich Privilegien, erklärt Roig.
Emilia Roig hat ihren Vortrag über Intersektionalität im März 2022 exklusiv für die Sendung Hörsaal gehalten.