Kopfschmerzen, Fieber oder ein kleiner Kater – viele greifen in solchen Fällen zur Paracetamol-Tablette. Dabei hat das Medikament nicht gerade den besten Ruf, weil es der Leber zusetzt. Forschende aus Ohio haben jetzt untersucht, wie sich der Wirkstoff der Pille auf unser Risikoverhalten auswirkt. Das Ergebnis sollte aber mindestens hinterfragt werden.
Es gibt die These, dass sich Paracetamol auf unsere Psyche auswirkt. In mehreren Studien ist die Rede davon, dass der Wirkstoff Einfluss auf unseren Geist und unser Verhalten habe. Wissenschaftsjournalistin Kathrin Baumhöfer hat sich die jüngste Studie, die in einem Fachartikel von Forschenden der Universität Ohio erschienen ist, einmal genauer angeschaut.
Annahme: Mit Paracetamol sind Affekte schlechter
Die Forschenden vertreten die Auffassung, dass unter Einfluss von Paracetamol etwas mit unseren Affekten passiert, also mit unseren kurzen spontanen Gefühlsregungen. Diese Affekte seien insgesamt schwächer, wenn wir Paracetamol genommen haben, fasst Kathrin Baumhöfer zusammen.
"Zugespitzt: Unter Einfluss von Paracetamol freut man sich- oder hasst nicht so doll wie sonst."
Davon ausgehend, leiten die Forschenden in ihrem Artikel die Hypothese ab, Paracetamol könnte neben den Affekten auch Einfluss auf unser Risikoverhalten haben, weil das Risikoverhalten von solchen Affekten abhängt.
Möglicher Einfluss von Paracetamol auf unser Risikoverhalten
Um ihre Hypothese zu belegen, haben sie eine kleine Studie mit drei Versuchsreihen durchgeführt. Knapp 150 beziehungsweise etwas mehr als 200 Probanden und Probandinnen haben daran teilgenommen "Alle doppelblind und placebokontrolliert, so wie es sich für eine ordentliche Studie gehört, das ist also schon mal gut", sagt Kathrin Baumhöfer.
Um das affektabhängige Risikoverhalten zu messen, wurde die BART-Methode verwendet. Die Abkürzung steht für "Balloon Analog Risk Task". Dabei sitzen die Versuchsteilnehmenden vor einem Bildschirm, auf dem ein Luftballon zu sehen ist, den sie mit Mausklicks aufpumpen können.
Für jeden Pumpstoß gibt es virtuelles Geld, der Ballon kann aber jederzeit platzen, dann ist alles weg. "Also: Je praller der Ballon, desto mehr Geld, aber auch umso mehr Risiko", fasst Kathrin Baumhöfer zusammen.
Forschende schlussfolgern: Paracetamol hat Einfluss auf unser Risikoverhalten
Die Autorin und der Autor schreiben, dass bei dieser Versuchsreihe die Risikobereitschaft der Probanden unter Einfluss von Paracetamol im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöht war. Wer eine Dosis von circa zwei Tabletten genommen hatte, pumpte bei dem Experiment den Ballon also mehr auf, als die anderen. Die Forschenden leiten daraus ab: Paracetamol hat Einfluss auf das Risikoverhalten – zum Beispiel beim Autofahren. Ein weitreichender Schluss, sagt Kathrin Baumhöfer.
Auch Ruben Arslan hält die BART-Methode für nicht geeignet, um Risikoverhalten zu messen. Er ist biologischer Psychologe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und beschäftigt sich damit, welche Prozesse im Gehirn ablaufen, wenn wir Entscheidungen treffen. Und dabei sieht er einen entscheidenden Unterschied zwischen virtuellen Ballons und dem echten Leben.
"Die Idee dahinter ist, dass es aufregend ist, wie wenn man wettet, wer sich näher an die Felsklippe herantraut. Virtuelle Ballons sind aber nicht so aufregend wie Felsklippen."
Der biologische Psychologe kritisiert: Bei der BART-Methode verlören viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer einfach nur die Lust am Pumpen. Er sieht den Ansatz ähnlich kritisch, wie Kathrin Baumhöfer und sagt: "Der Titel der Studie lautet ja: Effekte von Acetaminophen auf Risikoverhalten. Ein ehrlicher Titel wäre gewesen: Schwache Evidenz, dass Acetaminophen Studenten bereit macht, virtuelle Ballons eher platzen zu lassen."
Oder, um es kürzer zu fassen: Die Auswirkungen von Paracetamol auf unsere Psyche sind noch nicht abschließend geklärt.