Krank nach der Infektion mit vagen Symptomen wie Erschöpfung, Brainfog und Belastungsintoleranz? Das hat es auch vor Long Covid schon gegeben. Ein Blick auf den Forschungsstand bei chronischer Erschöpfung und die Frage der Finanzierung.

Chronische Erschöpfung ist lange kaum beachtet und kaum erforscht worden – vor allem in den Jahren vor der Corona-Pandemie nicht. Das Krankheitsbild ist unter dem Kürzel ME/CFS bekannt. Vor allem jüngere Betroffene machen darauf aufmerksam, dass die Erkrankung zu wenig erforscht werde.

Inzwischen gibt es wegen der Häufung der Fälle im Zusammenhang mit Long Covid einige Forschungsprojekte zu den Ursachen und auch zu therapeutischen Ansätzen. Ein Ergebnis: Es scheint wahrscheinlich, dass Sars-CoV-2 häufiger postinfektiöse Symptome verursacht als etwa Influenza.

Die Krankheit nach der Infektionskrankheit

Teilweise leiden manche noch Monate, zum Teil Jahre nach einer Corona-Infektion, nach einer Infektion dem Epstein-Barr-Virus oder mit Influenza unter schweren Beeinträchtigungen. Die teils langanhaltende Symptome bis hin zum Krankheitsbild ME/CFS sind unter anderem Belastungsintoleranz, Erschöpfung und Brainfog.

"Weil die Symptome nicht immer einheitlich sind, es keinen einfachen Bluttest gibt, weil die Auslöser unterschiedliche Viren sind, ist diese Krankheitsbild oft nicht ernst genommen worden."
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist

Organisationen wie Fatigatio oder die Deutschen Gesellschaft für ME/CFS beklagen schon seit langem einen Mangel an Forschung. Dabei soll es vor der Pandemie in Deutschland zwischen 250.000 und 300.000 Menschen mit ME/CFS gegeben haben, schätzen die Betroffenenorganisationen.

Das sind etwa so viele, wie an Multipler Sklerose erkrankt sind. Inzwischen läuft die Long-Covid-Forschung an. Der Medizinische Dienst Bund hat im April darauf hingewiesen, dass zum Teil teure Therapien für Long Covid angeboten würden, ohne dass es einen Hinweis auf eine Wirksamkeit gäbe.

Die Berliner Charité koordiniert eine Nationale klinische Studiengruppe zu Post-Covid und zu ME/CFS. Sie wird 2022 und 2023 mit zehn Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium finanziert. Zum Vergleich: Die USA haben eine Milliarde US-Dollar für die Long-Covid-Forschung aufgerufen. Auch dort beginnen gerade erste klinische Studien.

Die Charité dagegen hat die ersten Patient*innen behandelt.

Studie mit Entzündungshemmern

Gegen Long Covid werden erstmals gezielte Therapien erprobt. In den USA soll etwa Paxlovid Restviren vertreiben. Im Rahmen der Nationalen klinischen Studiengruppe wird die Wirksamkeit von Entzündungshemmer wie Kortison in Kombination mit B-Vitaminen untersucht. An der Charité wird man ein bereits zugelassenes Medikament zu Durchblutungsförderung erproben.

Bereits angelaufen ist eine Studie zur Blutwäsche gegen Auto-Antikörper. Das sei aufwändig, könne aber schnell zeigen, ob diese Strategie hilfreich ist, sagt Volkart Wildermuth. Wenn sich das bestätige, könne versucht werden, ähnliche Effekte mit Medikamenten zu erzielen. Da setzt auch der experimentelle Wirkstoff BC007 an. Im Juni 2023 soll eine europaweite Phase 2 Studie mit mehr als 100 Long-Covid-Betroffenen starten.

Seit kurzem liegt eine Veröffentlichung zur Verhaltenstherapie vor. Da geht es nicht um die Krankheit selbst, sondern um Bewältigung. Und tatsächlich scheint das die extreme Erschöpfung auch abzumildern.

Viel politscher Wille, keine Sicherheit

Insgesamt betrachtet laufe die Förderung durch das Bundesforschungsministerium zunächst nur noch 2023. "Der politische Wille scheint da zu sein, aber es ist offen, was am Ende rauskommt", sagt Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth.

Auch die Absicht des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach 100 Millionen in die Forschung zur Long-Covid-Versorgung zu investieren, biete keine Sicherheit. Ebenso wenig die Forderung von CDU/CSU nach einer erheblichen Ausweitung der Mittel für Long-Covid- und ME/CFS-Studien.

Überhaupt ist Volkart Wildermuth skeptisch, dass eine Therapieform gefunden wird, die mit einem einzigen Medikament zur völligen Heilung Betroffener führt.

"Ich fürchte: Wundermittel wird es bei einem so schweren Krankheitsbild nicht geben."
Volkart Wildermuth, Wissenschaftsjournalist
Shownotes
ME/CFS und Long Covid
Chronische Erschöpfung ist doch eine Krankheit
vom 19. Mai 2023
Moderation: 
Anke van de Weyer
Gesprächspartner: 
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk-Nova-Wissenschaftsjournalist