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Nach einem Gerichtsurteil kann die Politikerin für fünf Jahre nicht bei Wahlen antreten. Damit fehlt dem Rassemblement National eine aussichtsreiche Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2027. Kann die Partei Marine Le Pen ersetzen?

Marine Le Pen hatte sich schon als französische Präsidentin 2027 gesehen. Doch gestern verließ sie den Pariser Gerichtssaal mit einem harten Urteil: vier Jahre Haft, zwei davon mit Fußfessel, zwei zur Bewährung, 100.000 Euro Geldstrafe und fünf Jahre Wahlausschluss. Ihre Präsidentschaftspläne sind damit gescheitert.

Veruntreung von EU-Geldern

Marine Le Pen wurde verurteilt, weil sie zwischen 2004 und 2016 als EU-Abgeordnete Geld der EU veruntreut hat. Statt parlamentarische Assistenten zu bezahlen, finanzierte sie Parteimitarbeiter und ihren Bodyguard. Das Gericht sah darin ein organisiertes System.

"Millionen Franzosen sind unfassbar empört, denn sie haben gesehen, dass in Frankreich, dem Land der Menschenrechte, Richter Praktiken auf den Weg bringen, die man nur aus autoritären Regime kannte."
Marine Le Pen in einem TV-Interview

Le Pen wies die Vorwürfe zurück. In einem TV-Interview inszenierte sie sich als Opfer und sagte, Millionen Franzosen seien empört über ihre Strafe und verglich sie mit Maßnahmen in autoritären Regimen.

Le Pen wichtigste Figur ihrer Partei

Marine Le Pen ist die Schlüsselfigur des Rassemblement National und eine der bekanntesten Politikerinnen Frankreichs. 2021 gab sie den Parteivorsitz ab, um sie sich ganz auf die Präsidentschaftswahl 2027 zu konzentrieren. Sie kandidierte bereits dreimal, scheiterte aber stets in der Stichwahl – zuletzt gegen Emmanuel Macron. Durch das Urteil ist eine erneute Kandidatur nun kaum möglich.

Marine Le Pen distanzierte sich sogar von Jean-Marie Le Pen, ihrem Vater und Gründer der Vorgängerpartei, der wegen rassistischer und antisemitischer Äußerungen verurteilt wurde. 2015 wurde Jean-Marie Le Pen dann aus der Partei geschmissen. Vater und Tochter sollen daraufhin zwei Jahre lang nicht mehr miteinander gesprochen haben.

Rassemblement National stärkste Kraft

Marine Le Pens Strategie hat die Partei deutlich erfolgreicher gemacht. Der Rassemblement National wurde bei den Europawahlen 2024 stärkste Kraft und erzielte bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 37 Prozent der Stimmen. Zwar übernahm die Partei nicht die Regierung, ist aber heute so stark im französischen Parlament vertreten wie noch nie zuvor.

Der Rassemblement National plant ab dem Wochenende "friedlichen Protest" gegen das Urteil, so Parteichef Jordan Bardella. Doch die zuständige Richterin sieht sich bereits Drohungen ausgesetzt. Laut AFP wird ihr Haus nun von einer Polizeistreife bewacht.

Traum vom Elysee-Palast vorerst geplatzt

Christiane Kaess, unsere Korrespondentin in Paris, ist von dem Schuldspruch nicht überrascht – die Beweislast gegen Marine Le Pen und andere Angeklagte war zu erdrückend. Mit einer Verurteilung wurde gerechnet, aber nicht damit, dass das Urteil mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt und Marine Le Pen dadurch für fünf Jahre nicht bei Wahlen antreten darf. Diese Entscheidung sorgt nun für besonders große politische Wellen.

"Ihre politische Karriere ist massiv ausgebremst worden, denn ihr großes Ziel war immer der Élysée-Palast."
Christiane Kaess, Korrespondentin in Paris

Trotz des Rückschlags bleibt Le Pen Abgeordnete und Fraktionschefin der größten Oppositionspartei. In der Nationalversammlung spielt sie weiterhin eine wichtige Rolle, da die Minderheitsregierung auf Stimmen der Opposition angewiesen ist. Ihre politische Karriere ist also nicht vorbei, aber stark ausgebremst – ihr Ziel, Präsidentin zu werden, scheint in weite Ferne gerückt.

Le Pen will sich "nicht ausschalten lassen"

Der Ausschluss von Le Pen trifft ihre Partei hart. Laut Umfragen war sie die absolute Favoritin für den ersten Wahlgang mit 35 Prozent. Ob sie in der Stichwahl erfolgreich gewesen wäre, bleibt unklar. Die Präsidentschaftswahl ist erst in zwei Jahren, und bis dahin kann sich das politische Feld noch stark verändern. Mögliche starke Kandidaten aus dem bürgerlich-rechten Lager, wie Innenminister Bruno Retailleau zum Beispiel, könnten ebenfalls an Einfluss gewinnen. Dennoch ist der Verlust Le Pens ein schwerer Rückschlag für den Rassemblement National.

"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Berufungsverfahren an der Situation noch mal etwas ändert.“
Christiane Kaess, Korrespondentin in Paris

Marine Le Pen will in Berufung gehen, doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Berufungsverfahren vor der Präsidentschaftswahl entschieden wird. Selbst wenn es schnell ginge, bleibt unklar, ob das Urteil aufgehoben wird. Marine Le Pen hofft zwar auf eine Wendung, doch es ist kaum zu erwarten, dass sich die Situation vor der Wahl noch ändert. Sie hat in einem Interview betont, dass sie sich nicht einfach ausschalten lassen wird, so ihre Wortwahl. Doch die Chancen, dass das Urteil revidiert wird, sind gering, meint unsere Korrespondentin.

Jordan Bardella könnte Nachfolge von Le Pen antreten

Jordan Bardella, der Parteichef des Rassemblement National und Ziehsohn von Marine Le Pen, gilt als klarer Favorit für ihre Nachfolge als Präsidentschaftskandidat. Mit 29 Jahren zieht er vor allem junge Wähler an und hat eine steile Karriere hinter sich. Doch seine geringe politische Erfahrung und gelegentliche Unsicherheit in Interviews sind ein Nachteil. Im Vergleich zu Marine Le Pen fehlt ihm die politische Reife, die sie durch ihre lange Karriere erworben hat. Daher ist es noch unklar, ob er ihre Chancen tatsächlich ersetzen kann.

Es bleibt abzuwarten, ob der Rassemblement National durch die Inszenierung als Opfer einer politischen Justiz tatsächlich von einer gesteigerten Unterstützung profitiert. Dieser Opfermythos könnte, trotz seiner Nichtberechtigung, Bardellas Chancen als Präsidentschaftskandidat steigern, wenn er von Wählern, die sich mit dieser Darstellung identifizieren, unterstützt wird, so Christiane Kaess. Es ist jedoch noch zu früh, um zu sagen, ob dieser Effekt tatsächlich eintreten wird und wie stark er sich auf seine politische Karriere auswirken könnte.

Gerichtsurteil polarisiert Frankreich

Das Urteil gegen Marine Le Pen polarisiert stark in Frankreich. Laut einer Umfrage sehen 57 Prozent es als normale juristische Entscheidung, während 42 Prozent vermuten, dass politische Motive die Justiz beeinflussten, um Le Pen von der Präsidentschaftswahl abzuhalten. Die schwere Beweislast und das Ausmaß der Veruntreuung machen die Entscheidung nachvollziehbar, aber der Opfermythos könnte potenziell eine Wählerschaft mobilisieren, meint Christiane Kaess.

Noch sei es aber zu früh, um abzuschätzen, wie sich das Urteil langfristig auf den Rassemblement National auswirken wird. Vor den Präsidentschaftswahlen stehen noch die Kommunalwahlen an, bei denen sich zeigen könnte, ob die Partei von der aktuellen Situation profitiert. Auch vorgezogene Parlamentswahlen sind möglich, falls die Opposition die Regierung durch ein Misstrauensvotum stürzt. Solche Szenarien könnten das politische Klima verändern und den Einfluss des Rassemblement National weiter beeinflussen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Marine Le Pen
Kann Frankreichs Rechte auch ohne sie?
vom 01. April 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter
Gesprächspartnerin: 
Christiane Kaess, Korrespondentin in Paris