Die größten Tech-Firmen wie Google, Apple, Microsoft, Meta oder Amazon haben zu viel Macht – diese Meinung vertreten 70 Organisationen, darunter auch deutsche Bildungseinrichtungen. Mit einem Manifest gehen sie nun in die Offensive: Um die digitale Zukunft demokratischer zu machen, müssten die Big-Tech-Firmen verschwinden.
Konzerne wie Google, Apple, Microsoft, Meta oder Amazon erwirtschaften jedes Jahr immense Gewinne. Gleichzeitig sind sie aber auch für gesellschaftliche Schäden verantwortlich, schreiben die Verfassenden des Manifests "Beyond Big Tech: A framework for building a new and fair digital economy".
Die Wirtschaft in diesem Bereich sei dysfunktional. Und das gelte es zu ändern.
Abhängigkeit von Tech-Riesen birgt Risiken
Auch wenn uns die Dienste natürlich einiges bieten und den Alltag erleichtern: Die Abhängigkeit von einigen wenigen Konzernen im Digitalbereich ist ein Problem, meint Deutschlandfunk-Nova-Netzautor Andreas Noll. Er erinnert an die Crowdstrike-Panne vom Sommer 2024: Krankenhäuser, Bahnhöfe, Flughäfen waren genauso betroffen wie etwa der Rundfunk. Grund war ein fehlerhaftes Software-Update der IT-Sicherheitsfirma Crowdstrike. Sie versorgt Virensoftware von Rechnern, die tief in Betriebssystemen wie Windows verankert sind.
"Denkt mal an die Crowdstrike-Panne: Wegen eines fehlerhaften Updates standen Bahnen und Flugzeuge still."
Im Manifest wird nun eine offene digitale Infrastruktur gefordert auf der Basis von freier und quelloffener Software.
Dass zahlreiche Projekte in der Vergangenheit scheiterten, hat verschiedene Gründe, sagt Andreas Noll. So seien große IT-Projekte für den Staat zum Beispiel gar nicht finanzierbar. Und im Markt regele sich vieles einfach schneller und besser als in staatlichen Programmen.
Gescheitert: die EU-Suchmaschine Quaero
Die europäische Suchmaschine Quaero zum Beispiel sollte mit EU-Geldern programmiert werden, aber scheiterte. Der Grund: In einem Staat, erst recht in einem Staatenbündnis wie der EU, müssen Genehmigungen erst verschiedene Gremien passieren. Im Ergebnis kann es passieren, dass letztendlich das falsche Projekt gefördert wird.
"Es gab schon einige staatliche Projekte in der Vergangenheit – die sind aber alle gescheitert. Zum Beispiel sollte eine europäische Suchmaschine namens Quaero an den Start gehen."
Beispiel Quaero: Ob wir das Netz in Zukunft überhaupt noch mit Suchmaschinen durchforsten, sei ja gar nicht sicher, gibt Netzreporter Andreas Noll zu bedenken. An die Stelle von Google, Bing, Yahoo und Co. könnten dann KI-Tools treten. "Die Qualität bei der Google-Suche hat schon spürbar nachgelassen aus meiner Sicht, auch wenn Google noch immer ein gutes Produkt ist", meint der Netzreporter.
Mögliche Zerschlagung der Big-Tech?
Die Manifest-Unterzeichnenden fordern von den Big-Tech-Firmen, dass zunächst die bestehenden Kartellgesetze konsequent angewendet werden. Das würde demnach bereits zu einer Entflechtung führen. Unabhängig von dem Manifest will das Bundeskartellamt Microsoft genauer in den Blick nehmen. Die Wettbewerbshüter stufen den Softwarekonzern als "Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" ein.
Im Manifest wird außerdem gefordert, dass die Big-Tech-Konzerne "angemessen besteuert werden". Auf diese Weise könnten die Gewinne besser umverteilt werden. Auf technologischer Ebene wird eine bessere Interoperabilität zwischen den Plattformen verlangt
Zur Diskussion wird aber auch eine Zerschlagung der Konzerne ins Spiel gebracht. Diese sollte den Wettbewerb verbessern und könnte auch zu mehr Datenschutz führen, da die Daten nicht vorwiegend beim jeweiligen Monopolisten gespeichert würden.
Der "Digital Markets Act" der EU
Die Federal Trade Commission (FTC) in den USA verfolgt unter ihrer aktuellen Führung einen zunehmend aggressiveren Ansatz gegen die Marktmacht von Google, Amazon, Apple, Meta oder Microsoft. Gleiches gilt für die EU. In der EU gibt es mit dem Digital Markets Act (DMA) ein Gesetz, das die Marktbeherrschung einzelner Player eindämmen soll. Ein letztes Mittel des DMA: die Zerschlagung eines marktbeherrschenden Players.
Kritik bezüglich einer Zerschlagung der großen Tech-Firmen kommt nicht nur von Google und Co. selbst: Die Tech-Giganten haben ganz andere Ressourcen als kleinere Unternehmen. Dadurch sind sie eher in der Lage, strenge Standards im Bereich Jugendschutz, Sicherheit oder Hate-Speech durchzusetzen als kleinere Unternehmen. Hinzu kommt, dass kleinere Unternehmen nicht die Mittel haben, sich effektiv gegen Cyber-Attacken zu schützen.
Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Andreas Noll meint, dass das gesamte Thema Regulierung mit einigen wenigen großen Konzernen "vielleicht sogar einfacher zu organisieren ist als mit vielen kleinen Playern". Die Zerschlagung wäre definitiv auch mit Risiken verbunden, sagt er.